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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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David Wilson zu Hause oder am Tatort sein. Muss ich Ihnen das wirklich sagen?•
    »Nein.«
    Aber der Chief sagte es trotzdem. »Wenn wir davon ausgehen, dass Wilson Tiffany gefunden hat — und davon gehen wir aus —, dann sollten Sie seinen Tagesablauf zurückverfolgen. Wo er gewesen ist. Mit wem er gesprochen hat. Was er heute getan und gelassen hat, wo er Tiffany Shore über den Weg gelaufen sein könnte —«
    »Das weiß ich«, unterbrach Hunt ihn gereizt. »Ich habe Yoakum zu ihm nach Hause geschickt, und ich werde gleich hinfahren, aber das hier geht vor.«
    »Darf ich wissen, warum Sie zu Katherine Merrimon fahren?«
    Hunt entging der Zweifel nicht, das plötzliche Misstrauen.
    »Ihr Sohn könnte ein paar Informationen haben.«
    Hunt sah den Chief vor sich: in seinem Büro, umgeben von Arschkriechern, das Hemd fleckig vom Schweiß eines fetten Mannes. Die Stimme war die eines Politikers. »Ich muss wissen, dass Sie bei der Sache sind, Hunt. Sind Sie bei der Sache?«
    »Das ist eine blöde Frage.« Hunt wusste, woher die Zweifel des Chiefs rührten, aber er konnte seinen Ärger nicht verhehlen. Er verbrachte seine Zeit mit dem Fall Merrimon. Na und? Vielleicht hatte er mehr Gefühl als die meisten Cops. Der Fall war wichtig, doch das sah der Chief nicht so. Nein. Er hatte Geschichten über Hunt gehört: jeden Morgen um drei Uhr wach — Hunt, der sonntags morgens bei Sonnenaufgang im Büro erschien, um über Beweismaterial zu brüten, das er schon hundertmal gesehen hatte. Der dem Richter Durchsuchungsbeschlüsse aus den Rippen leierte, bei denen nie etwas herauskam. Der andere Cops mit Beschlag belegte, Ressourcen, die auf andere Fälle verwendet wer-den sollten. Er beobachtete, wie Hunt sich wund arbeitete. Er sah die blasse Haut, den Gewichtsverlust, die schlaflosen Augen, die Aktenstapel auf dem Boden von Hunts Büros. Und es gab noch andere Dinge.
    Gerüchte.
    »Das ist keine Frage, Hunt. Es ist eine Forderung, ein Imperativ.«
    Hunt biss die Zähne zusammen und beherrschte sich so sehr, dass er kaum sprechen konnte. Er bearbeitete Schwerverbrechen. Er war leitender Detective. Das war sein Job, sein Leben. »Ich sage doch, ich bin dran.«
    Er hörte Atemgeräusche und dann eine gedämpfte Stimme im Hintergrund. Als der Chief wieder sprach, klang es präzise. »Ich habe keinen Platz für Persönliches, Hunt. Nicht bei diesem Fall.«
    Hunt blickte starr geradeaus. »Verstanden. Nichts Persönliches.«
    »Hier geht es um Tiffany Shore. Um ihre Familie. Nicht um Alyssa Merrimon. Und nicht um ihre Mutter. Ist das klar?«
    »Kristallklar.«
    Nach einer langen Pause kam die Stimme wieder, jetzt mit einem Hauch von Bedauern. »Wenn es persönlich wird, werden Sie gefeuert, Clyde. Dann fliegen Sie achtkantig aus meinem Department. Zwingen Sie mich nicht dazu.«
    »Ich brauche keinen Vortrag.« Er ließ den Rest unausgesprochen: Nicht von einem fetten Politikercop. »Ihre Frau haben Sie schon verloren. Verlieren Sie nicht auch noch Ihren Job.«
    Hunt schaute in den Spiegel und sah die Wut in seinen Augen. Er atmete tief ein. »Kommen Sie mir einfach nicht in die Quere«, sagte er, und es klang wie das, was ein vernünftiger Mann sagen würde. »Haben Sie ein bisschen Vertrauen.«
    »Diese Vertrauenskerze lassen Sie jetzt seit einem Jahr brennen, und sie ist ziemlich weit heruntergebrannt. Wenn morgen Abend die Zeitungen schlafen gehen, will ich ein Foto von Tiffany Shore sehen, wie sie auf dem Schoß ihrer Mutter sitzt. Auf Seite eins. So behalten wir unseren Job.« Es blieb still; Hunt traute seiner Stimme nicht und schwieg deshalb. »Geben Sie mir ein Happy End, Clyde. Geben Sie es mir, und ich werde so tun, als wären Sie derselbe Cop, der Sie vor einem Jahr waren.«
    Der Chief legte auf.
    Hunt schlug mit der Faust unter das Wagendach und bog in Johnnys Einfahrt ein. Sofort sah er, dass der Kombiwagen nicht da war. Als er an die Haustür klopfte, klang das Haus hohl. Hunt spähte durch das kleine Fenster und sah Ken Holloway durch den dunklen Flur kommen. Er trug blank polierte Schuhe und eine etwas zerknitterte Hose und war noch dabei, sein Hemd hineinzustopfen. Er rückte seinen Alligatorgürtel zurecht und blieb vor einem Spiegel stehen, um sein Haar glatt zu streichen und seine Zähne zu kontrollieren. An seiner rechten Hand baumelte ein Revolver.
    »Polizei, Mr. Holloway. Legen Sie die Waffe weg und machen Sie auf.«
    Holloway zuckte zusammen; erst jetzt wurde ihm klar, dass man ihn durch das Fenster in

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