Das letzte Kind
Berichte über verdächtige Aktivitäten, keine Erkenntnisse über das Fahrzeug. Er hatte nur Johnny Merrimon und das, was David Wilson ihm vor seinem Tod gesagt hatte. Wilson hatte behauptet, er habe das entführte Mädchen gefunden. Wo gefunden? Wie gefunden? Tot oder lebendig? Wer David Wilson von der Brücke gedrängt hatte, hatte es absichtlich getan. Aber war es Johnny Merrimons Riese gewesen, wie Cross vermutete? Oder jemand anders?
Hunt musste den Jungen finden.
Er rief auf dem Revier an und erreichte einen seiner Detectives. »Hunt hier. Was gibt's Neues?«
•Nichts Gutes. Myers und Holiday sind noch bei Tiffanys Eltern.«
»Kommen sie zurecht?«
»Der Hausarzt ist da. Die Mutter, wissen Sie. Sie hat ein Beruhigungsmittel bekommen.«
»Irgendetwas über Tiffanys Handy?«
»Nichts. Das GPS hat auch nichts erbracht.«
»Ist Yoakum noch dabei, Wilsons Tagesablauf zu rekonstruieren?«
»Er ist jetzt bei ihm zu Hause.«
»Wissen wir schon was?«
»Nur, dass Wilson Professor am College war. Irgendwas mit Biologie.«
»Was ist mit Fingerabdrücken?«, fragte Hunt.
»Wir haben einen Daumenabdruck von seinem Augenlid. Der läuft gerade durch den Computer. Bald wissen wir mehr.«
»Freiwillige Helfer?«
»Bis jetzt mehr als hundert. Wir versuchen, sie so zu organisieren, dass wir früh anfangen können. Gegen sechs dürften wir eigentlich im Gelände sein.« Beide Männer schwiegen, und beide dachten das Gleiche: Das County ist verdammt groß.
»Wir brauchen mehr Leute«, sagte Hunt. »Beziehen Sie die Kirchen ein, die Vereine. Wir hatten allein hundert Kids vom College, als Alyssa Merrimon verschwunden war. Rufen Sie den Dekan an.« Hunt ratterte die Nummer aus dem Gedächtnis herunter. »Er ist entgegenkommend. Sehen Sie zu, dass er was auf die Beine bringen kann. Außerdem möchte ich, dass morgen noch einmal alle in Tiffanys Schule befragt werden. Schicken Sie die Kollegen hin, die am wenigsten einschüchternd wirken. Die jungen. Die weiblichen. Sie wissen, wie das läuft. Ich will nicht, dass uns etwas entgeht, nur weil irgendeines von den Kids sich nicht traut, mit uns zu reden.«
»Verstanden. Was kann ich sonst noch tun?«
»Moment.« Hunt holte Katherine Merrimons Autonummer auf seinen Bildschirm. »Notieren Sie, und dann geben Sie es per Funk an die Streifen durch.« Er nannte ihm Automarke, Modell und Kennzeichen. »Der Junge ist mit dem Wagen seiner Mutter unterwegs. Eine Schrottkarre. Dürfte nicht allzu schwer zu finden sein. Checken Sie als Erstes die Tate Street, wo Ken Holloway wohnt. Ich bezweifle, dass er da ist, aber es kann nicht schaden nachzusehen. Wenn jemand den Wagen sieht, will ich es sofort erfahren. Er muss gestoppt und festgehalten werden. Rufen Sie mich gleich an, wenn das passiert.«
»Okay.«
»Gut. Und jetzt geben Sie mir David Wilsons Adresse.« Hunt wollte seinen Stift herausziehen, aber da sah er eine Bewegung auf Johnnys Veranda. Ein bleicher Arm streckte sich heraus.
Was zum Teufel...?
Ein Schrei hallte gedämpft durch den Regen. Sein Finger tastete nach dem Schalter, und zwei helle Scheinwerferstrahlen bohrten sich durch den Regen. »Heilige Scheiße.«
»Detective —«
Hunt presste das Handy ans Ohr. »Ich muss Schluss machen.«
»Aber —«
Hunt klappte das Handy zu, griff zur Tür und wiederholte, was er gesagt hatte. Der Regen prasselte ihm ins Gesicht.
»Heilige Scheiße.«
Aber ein zweiter Schrei übertönte seine Worte.
ZEHN
Ü ber Seitenstraßen fuhr Johnny quer durch die Stadt von einer Seite zur andern. Jack wohnte in einer Gegend mit kleinen Häusern und hübschen Gärten, in einem Viertel voller Cops und Lebensmittelhändler und Lieferwagenfahrer. Überall auf den Rasenflächen sah man Schaukeln und Spielsachen. An sonnigen Tagen spielten die Kinder hier Fangen auf der Straße. Es war eine gute Gegend, wenn man hier wohnte, aber fremde Autos fielen auf, also parkte Johnny zwei Straßen weiter und ging zu Fuß durch den Regen. In Jacks Zimmer brannte Licht. Johnny spähte über das Fenstersims und sah seinen Freund. Er lag quer auf dem Bett, umgeben von Comic-Heften. Er kratzte sich beim Lesen.
Johnny wollte an die Scheibe klopfen, als die Zimmertür aufging. Gerald kam herein. Er war groß und muskulös, trug Jeans und kein Hemd und hatte eine Clemson-Baseballkappe verkehrt herum auf dem Kopf. Was er sagte, machte seinen Bruder sauer, denn Jack warf ein Comic-Heft nach ihm, schob seinen Bruder hinaus und schloss die Tür ab.
Johnny
Weitere Kostenlose Bücher