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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ich keinen einzigen kannte, und Alfred überantwortete Guthrum eine entsprechende Anzahl englischer Edelmänner.
    Genau darum hatte mich Alfred rufen lassen. Und jetzt erklärte sich auch seine Zurückhaltung. Er hatte mich von Anfang an als Geisel einsetzen wollen. Als Befehlshaber einer ohnmächtigen Flotte war ich ihm nicht nützlich, wohl aber als ein Mann von hohem Stand. Als Aldermann Uhtred hatte ich in den Verhandlungen für ihn Gewicht. Ich sah das breite Grinsen auf dem Gesicht Oddas des Jüngeren, als mein Name von den Dänen akzeptiert wurde.
    Guthrum und Alfred legten nun feierliche Schwüre ab. Alfred bestand darauf, dass der dänische Anführer zur Besiegelung seines Schwurs die rechte Hand auf die Reliquien legte, die Alfred immer in einem Beutel bei sich trug. Darin befanden sich eine Feder der Taube aus Noahs Arche, ein Handschuh des heiligen Cedd und, was ihm besonders heilig war, ein Zehenring, der an Maria Magdalenas Fuß gesteckt hatte. Verwirrt legte Guthrum die Rechte auf den goldenen Ring und gelobte, sein Versprechen zu halten. Dann verlangte er von Alfred, dass er die rechte Hand auf den Knochen legte, der in seinem Haar steckte, und ließ den König von Wessex auf die Rippe einer toten Mutter schwören, dass sich die Westsachsen an den Vertrag hielten. Erst als beide Schwüre gesprochen und feierlich abgesegnet waren, wurden die Geiseln ausgetauscht. Guthrum schien mich wieder zuerkennen, denn sein Blick folgte mir lange und nachdenklich, als ich die Seiten wechselte. Schließlich wurden wir, die Geiseln, mit großem Aufwand nach Werham begleitet.
    Dort angekommen, hieß mich Graf Ragnar, der Sohn Ragnars, willkommen.
    Es war ein freudiges Wiedersehen. Wir umarmten uns wie Brüder, was wir ja in gewisser Weise auch waren. Er gab mir einen Klaps auf die Schulter, schenkte mir einen Krug Ale ein und berichtete, was sich seit unserer letzten Begegnung zugetragen hatte. Kjartan und Sven lebten nach wie vor auf
    Dunholm. Ragnar hatte sich mit ihnen getroffen. Es war vorher verabredet worden, dass die beiden Seiten einander unbewaffnet gegenübertreten würden. Kjartan hatte geschworen, an dem Überfall auf Ragnars Haus unschuldig zu sein, und erklärt, dass er über Thyra nichts wisse. «Der Bastard lügt», sagte Ragnar. «Ich bin ganz sicher. Und er weiß, dass ich ihn töten werde.»
    «Warum hast du es noch nicht getan?»
    «Wie könnte ich Dunholm stürmen?»
    Auch Brida war da. Sie teilte mit Ragnar das Bett und grüßte mich herzlich, wenn auch nicht so überschäumend wie Nihtgenga, der über mich herfiel und mein Gesicht ableckte. Brida zeigte sich belustigt darüber, dass ich Vater werden sollte. «Es wird dir gut tun», sagte sie.
    «Gut tun? Wieso?»
    «Weil du dann ein richtiger Mann sein wirst.»
    Für einen solchen hielt ich mich bereits, auch wenn eines noch fehlte, etwas, worüber ich bislang mit keiner Menschenseele gesprochen hatte. Ich hatte gegen die Dänen gekämpft, Schiffe brennen und Männer ertrinken sehen, aber noch nie in einem großen Schildwall gestanden. Wohl schon in kleineren zwischen Schiffsmannschaften, aber nicht auf weitem Schlachtfeld, wenn die Fahnen des Feindes die Sonne verdunkelten. Noch kannte ich die Schrecken nicht, die mit Hunderten oder Tausenden waffenstarrender Kämpfer heraufziehen. Ich war in Eoferwic und vor A Escs Hügel gewesen und hatte die Schildwälle aufeinander prallen sehen, ohne selbst in vorderster Reihe gestanden zu haben. Ich hatte bislang nur an schnell entschiedenen Kämpfen teilgenommen und noch nie ein lange andauerndes Gemetzel aushalten müssen, eines jener schrecklichen Gefechte, die selbst den Stärksten vor Durst und Müdigkeit erlahmen lassen, während der Feind weiter drängt, auch wenn seine Reihen noch so licht geworden sind. Nur wenn ich solches erfahren haben würde, so dachte ich, durfte ich mich als Mann verstehen.
    Zu meiner Überraschung vermisste ich Mildrith. Auch Leofric fehlte mir, wenngleich ich mich in Ragnars Gesellschaft sehr wohl fühlte. Das Leben als Geisel war nicht schwer. Wir hatten genug zu essen und schauten hinaus ins winterliche Grau der kürzer werdenden Tage. Eine der Geiseln war ein Vetter von Alfred, ein Priester namens Waella, der ständig besorgt wirkte und manchmal weinte. Alle anderen Geiseln aber waren durchaus zufrieden. Der Einzige, den ich gut kannte, war Hacca, mein Vorgänger als Befehlshaber der Flotte. Die meiste Zeit verbrachte ich jedoch in Gesellschaft von Ragnar und seinen

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