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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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einem Tisch zu sitzen, die mit jedermann ihr Essen teilten, vorausgesetzt, der Gast wusste sich zu benehmen und spuckte nicht in den Haferschleim. Aber Hunger hatte ich doch. Ich hätte einen ganzen Ochsen vertilgen können und war entsprechend ungeduldig, als wir uns die Hände in einer von Dienern getragenen Wasserschüssel waschen und anschließend hinter unseren Stühlen stehend warten mussten, bis Alfred und A Elswith zur Tafel geführt worden waren. Ein Bischof legte es darauf an, dass das Essen kalt wurde, während er in einem endlos langen Gebet Gottes Segen für die Speisen erbat. Dann konnten wir uns endlich setzen. Aber wie enttäuscht war ich, als weder Schweine- noch Rinder- oder Hammelbraten aufgetischt wurde, sondern nur Käsebruch, Lauch, weiche Eier, Brot, Dünnbier und ein Haferschleim, der so appetitlich war wie Froschlaich. Alfred lobte das gute Essen, ließ aber dann durchblicken, dass er unter schrecklichen Magenkrämpfen litt und seine Schmerzen mit dieser breiigen Diät zu lindern versuchte.
    «Den König quält alles Fleisch», erklärte mir Beocca. Er war einer von drei Priestern, die mit an der Tafel saßen, unter ihnen ein Bischof, der, weil er keine Zähne im Mund hatte, sein Brot in der Brühe aufweichte und mit einem Kerzenständer verrührte. Dann waren da noch zwei Aldermänner und natürlich A Elswith, die einen Großteil der Unterhaltung bestritt. Sie beklagte sich darüber, dass den Dänen gestattet worden sei, in Readingum zu bleiben, und Alfred musste ihr klar machen, dass er mit diesem kleinen Zugeständnis immerhin für Frieden gesorgt habe. Besonders froh war .   A Elswith darüber, dass ihr Mann alle Geiseln aus Halfdans Armee hatte befreien und in den Schoß der Mutter Kirche zurückführen können. Alfred sah mich viel sagend an, als er dieses Verhandlungsergebnis ausführte, doch ich interessierte mich sehr viel mehr für eine der Dienerinnen, eine junge Frau, die, vier oder fünf Jahre älter als ich, mit ihren dichten schwarzen Locken wunderschön anzusehen war, und ich fragte mich, ob es sich bei ihr womöglich um diejenige handelte, an der Alfred nach Beoccas Rat seine Kraft wider die Versuchung stärken und seinem Herrgott danken sollte, wenn es ihm gelang, ihr zu widerstehen. Viel später stellte sich diese Vermutung als richtig heraus. Ihr Name war Merewenna, und ich sollte noch meinem Gott danken, dass ich ihren Reizen nicht widerstand, worauf ich im weiteren Verlauf der Geschichte noch zu sprechen kommen werde. Vorerst verfügten ausschließlich Alfred oder eher A Elswith über mich.
    «Uhtred muss lesen lernen», sagte sie. Ich wusste nicht, was sie damit zu tun hatte, aber niemand stellte ihre Meinung infrage.
    «Amen», sagte Beocca.
    «Die Mönche von Winburnan könnten ihn unterrichten», schlug sie vor.
    «Eine vorzügliche Idee, Herrin», sagte Beocca, und der zahnlose Bischof sabberte beifällig.
    «Abt Hewald ist ein ausgezeichneter Lehrer», meinte A Elswith. In Wahrheit gehörte Abt Hewald zu der Sorte Bastarde, die ihre Schüler lieber auspeitschen, als sie zu unterrichten. Aber vielleicht war es ja gerade das, was sich A Elswith unter einem guten Lehrer vorstellte.
    «Ich habe allerdings den Eindruck», warf Alfred ein, «dass unser junger Uhtred lieber das Kriegshandwerk erlernen würde.»
    «Dazu hat er ja, wenn Gott will, später noch Gelegenheit», erwiderte A Elswith. «Doch welchen Zweck hätte ein Krieger, der Gottes Wort nicht lesen kann?»
    «Amen», sagte Beocca.
    «Wahrhaftig keinen», stimmte Alfred seiner Gemahlin zu. Nach meinem Dafürhalten jedoch war der Leseunterricht für Krieger ebenso unsinnig wie der Versuch, einem Hund das Tanzen beizubringen. Ich behielt meine Meinung für mich, doch Alfred ahnte meine Zweifel und fragte: «Warum, Uhtred, ist es für einen Soldaten von Vorteil, wenn er zu lesen versteht?»
    «Es ist für jeden von Vorteil, lesen zu können», sagte ich Pflicht schuldigst und erntete ein Lächeln von Beocca.
    «Ein solcher Soldat», erklärte Alfred geduldig, «kann die Befehle lesen, die sein König diktiert hat. Stell dir vor, du wärst in Northumbrien und ich in Wessex. Wie sonst, wenn nicht durch eine schriftliche Nachricht, würdest du erfahren, was mein Wille ist?»
    Diese Äußerung war atemberaubend, aber ich war zu diesem Zeitpunkt noch zu jung, um Alfreds Frage richtig einordnen zu können, und fand, dass er mir, wenn ich in Northumbrien und er in Wessex wäre , den Buckel herunterrutschen könne.

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