Das letzte Opfer (German Edition)
erwähnt hatte.
Marko musste ihn rausgezogen haben, als er am Morgen nach unten kam, beim Durchqueren der Diele war er aus dem Wohnzimmer nicht zu sehen. Eine andere Möglichkeit sah Klinkhammer nicht. Er fragte sich nur, was Marko in Bergheim mit seinem Anruf daheim hatte bezwecken wollen. Dass der Stecker sich wieder an seinem Platz befand und Karen noch mit ihrer Mutter telefoniert hatte, konnte Marko ja nicht wissen. Er hatte sich ein Alibi beschaffen wollen, das sah Klinkhammer wie Norbert. Zwei Polizisten als Zeugen, dass seine Frau schon um zehn Uhr nicht mehr zu erreichen war.
Aber um die Zeit musste Karen noch im Haus gewesen sein. Vielleicht war sie nicht schnell genug gewesen. So lange hatte Marko es nicht klingeln lassen. Der Apparat stand in der Diele, und sie hatte höchstwahrscheinlich am Computer gesessen, der nun zum wichtigsten Zeugen wurde. Die letzte Textdatei auf der Diskette war um neun Uhr dreiundfünfzig erstellt und um elf Uhr achtundvierzig abgespeichert worden. Achtzehn Minuten nach Markos Rückkehr.
Reichlich spät, erst nachdem Norbert von Karens Sorge um den Computer berichtet, Klinkhammer die im Laufwerk steckende Diskette bemerkt hatte und auf die Speicherzeit aufmerksam geworden war, fiel Marko ein, der Computer sei in Betrieb gewesen, als er nach Hause gekommen war. Er sei ins Bad gegangen. Die Zimmertür sei offen gewesen, er habe ein Textstück auf dem Bildschirm gesehen, den Computer heruntergefahren und ausgeschaltet. Er erinnerte sich sogar wieder, dass noch die Anfrage erschienen war, ob Änderungen gespeichert werden sollten. Das hätte er bestätigt, reflexartig.
«Und Sie haben bei eingeschaltetem Computer ernsthaft angenommen, Ihre Frau befände sich auf einem Familienausflug, sei zum Bahnhof oder sonst wohin gegangen?», fragte Klinkhammer. «Wer soll Ihnen das glauben, Herr Stichler?»
Markos Behauptung, er sei zur Agentur gefahren, war nicht zu überprüfen. Samstagnachmittag, seine Stiefmutter war in Berlin, die Angestellten hatten frei. Als Klinkhammer anbot, in polizeilicher Begleitung nach Köln zu fahren, um das Ergebnis von einigen Stunden Arbeit abzuholen, hieß es, er habe sich nicht darauf konzentrieren können, aus all den Aufnahmen ein paar herauszusuchen, bei denen es lohnte, Abzüge nach München zu schicken.
Dass seine Angaben niemanden überzeugten, war ihm wohl bewusst. Er wirkte ratlos, verunsichert, überfordert mit der Situation, sehr besorgt um seine Frau. Immer wieder drängte er, man solle ihn nach Karen suchen lassen, statt ihn mit unsinnigen Fragen aufzuhalten. Als Klinkhammer auf der Fahrt nach Köln bestand, um die Räume der Agentur, nach Möglichkeit auch die Wohnung der abwesenden Stiefmutter überprüfen zu lassen, gab er sofort nach.
Zu einem Blick in Margos Privaträume kam allerdings niemand. Angeblich hatte Marko keinen Schlüssel. Und in der Agentur war nichts Auffälliges, auch nichts, woran sich feststellen ließ, ob er sich tatsächlich dort aufgehalten hatte.
Als Scheib eintraf, waren sie gerade erst aus Köln zurückgekommen. Kevin befand sich längst in der Obhut seiner Großmutter. Marko saß im Wohnzimmer mit zwei Beamten der Hürther Kripo, die ihn mit Fragen zum Verbleib seiner Frau, seinem Freitagstermin und dem Telefonstecker bedrängten.
Er bestritt energisch, das Telefon ausgezogen zu haben. Es gab auch keinen zweifelsfreien Beweis dafür, dass der Stecker tatsächlich neben der Garderobe am Boden gelegen hatte, als Karen bei ihrer Mutter anrufen wollte. Norbert hatte es nur von Christa gehört, vielleicht hatte die etwas missverstanden. Und keiner der Polizisten hatte den kleinen Kevin sagen hören: «Jasmin hat an Telefon gespielt und mich geschimpft, weil ich meine Pfeife nicht finden konnte.»
Die beiden Kinder waren nicht befragt worden. Von einem dreijährigen Jungen erwartete niemand, dass er etwas Wesentliches zur Klärung beitragen könnte. Und ein elfjähriges Mädchen, das sich Vorwürfe machte, weil es seiner Mutter einen Wunsch abgeschlagen und sie alleine gelassen hatte, bedrängte man auch nicht mit Fragen, wenn es nicht unbedingt sein musste.
Von Norbert hörten sie, dass Jasmin am vergangenen Abend bei Karen gewesen und Zeugin von Markos Anruf um neunzehn Uhr geworden war, bei dem er von einem Geschäftsessen gesprochen hatte. Und nur drei Stunden später war er vorgefahren. Drei Stunden für ein Essen und die Fahrt von Frankfurt nach Sindorf, die alleine schon gute zweieinhalb Stunden dauerte.
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