Das letzte Opfer (German Edition)
erledigt habe.» Ich komme! Er hatte nicht gesagt: Wir kommen. Ihm wurde nicht übel wie am Donnerstag, als er von Julia Roberts und Weilheim hörte und in Betracht ziehen musste, Barbara Lohmann sei die Antwort des Phantoms auf den Bericht im Wochenmagazin. Er fühlte gar nichts, dachte nichts, hörte nur die Stimmen im Kopf wie ein Endlosband. Alles in ihm weigerte sich, diese Wendung zu akzeptieren, weil das Phantom seiner festen Überzeugung nach solch ein Risiko niemals eingegangen wäre.
Klinkhammer trug in den zweieinhalb Stunden mit Hilfe einiger Kollegen aus Hürth alle wesentlichen Fakten und Aussagen zusammen. Es gab kein Anzeichen für ein gewaltsames oder unbefugtes Eindringen ins Haus, nirgendwo Spuren eines Kampfes. Am Amselweg hatte zwischen halb neun und halb zwölf auch niemand etwas Ungewöhnliches gehört oder gesehen.
Ein Nachbar hatte den ganzen Vormittag bei offenem Tor in seiner Garage gearbeitet. Ihm wäre weder ein Besucher noch Karen entgangen. Es gab nur eine Möglichkeit, sich dem Haus unbemerkt zu nähern oder sich zu entfernen, über die Fußwege, durch die Garagenzufahrt, neben der die Haustür lag.
Genau um halb zwölf war Marko Stichler in seinem Mercedes-Kombi zurückgekommen. Dafür gab es ebenfalls eine Zeugin aus der Nachbarschaft. Sie putzte gerade ihr Küchenfenster und hatte dabei einen ausgezeichneten Blick auf Zufahrt und Haustür. Marko fuhr den Wagen rückwärts in die Garage. Das war ungewöhnlich. Wenn er beabsichtigt hätte, noch einmal wegzufahren, wäre es sinnvoller gewesen, den Wagen vor dem Haus abzustellen. Für einen kurzen Aufenthalt lohnte es nicht, in die Garage zu steuern. Und sonst fuhr er grundsätzlich vorwärts hinein. Da musste er nicht dreimal ansetzen, um den Kombi in die richtige Position zu bringen. Unbeschadet im Rückwärtsgang durchs Tor zu kommen, war Maßarbeit.
Die Zeugin sah ihn auch aus der Garage kommen, das Tor schließen und zur Haustür gehen. Er grüßte nicht wie sonst. Und er kam nicht wieder zur Tür heraus. Da war sie absolut sicher, weil sie die ganze Zeit am Küchenfenster blieb und sich mit einer anderen Nachbarin über die mysteriösen Vorgänge bei Stichlers unterhielt. So sahen beide Frauen das Garagentor hochschwenken und den Mercedes wieder abfahren – etwa eine Stunde nach seiner Ankunft. Marko saß alleine im Wagen.
Was er während der Stunde im Haus getan hatte, dazu konnte natürlich niemand etwas sagen. Aber die vorhandenen, beziehungsweise beseitigten Spuren sprachen dafür, dass Marko seine Frau im Arbeitszimmer getötet – vielleicht erstochen hatte. Aus dem gut bestückten Block in der Küche fehlte ein Messer. Dann hatte er sein Hemd ausgezogen, sich die Leiche auf die Schulter geladen, sie durch den Keller ins Freie gebracht, sich dabei mit blutigen Händen an den Handläufen der Treppen abgestützt, sie kurz auf dem Rasen abgelegt, um die rückwärtige Garagentür zu öffnen, sie im Auto verstaut, Handläufe, Türklinken, Fußböden und die äußere Treppenstufe abgewischt und das Blut auf dem Rasen übersehen.
Es gab Methoden, für das bloße Auge nicht erkennbares Blut wieder sichtbar zu machen. Sie standen Klinkhammer nicht zur Verfügung, das hatte auch Zeit, ebenso die Untersuchung der Blutspur vom Rasen. Um der Kölner Gerichtsmedizin den Auftrag einer Bestimmung zu erteilen, brauchte man einen Staatsanwalt. Und Klinkhammer, der als leitender Ermittler akzeptiert wurde, nachdem er seinen Einsatz für Thomas Scheib erläutert und erklärt hatte, es ginge um entschieden mehr als eine verschwundene Ehefrau, wollte sich nicht mit einem unerfahrenen Staatsanwalt im Bereitschaftsdienst auseinander setzen. Die langjährige Freundin seiner Frau war momentan nicht zu erreichen. Ihr, so meinte er, könne er leichter begreiflich machen, dass sie einen Haftbefehl beantragen musste, weil dringender Mordverdacht in mindestens zwei, eher noch zehn oder elf Fällen und Fluchtgefahr bestand.
Für festgenommen erklärt und über seine Rechte belehrt war Marko noch nicht. Auch damit wollte Klinkhammer warten. Nicht, dass er unsicher gewesen wäre oder die Meinung von Scheib noch hätte abwarten wollen. Es war eine Zeitfrage. Viertel nach zwölf war eine gute Zeit. Um null Uhr fünfzehn war Sonntag, dann musste man Marko erst am Montag dem Haftrichter vorführen. Und vielleicht bekam man bis dahin etwas mehr in die Hand als das Blut vom Rasen, die abgewischten Stellen und den ausgezogenen Telefonstecker, den Norbert
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