Das letzte Opfer (German Edition)
Frechen nicht nur ein Auto gehört, sondern auch eins gesehen. Es war ziemlich schnell und auf dem Weg zur Hauptstraße gewesen, musste also vom Haus der Lohmanns gekommen sein. Den Wagentyp hatte sie nicht erkannt, von einem Kennzeichen ganz zu schweigen. Sie war nur zu einem Blick aufs Wagendach gekommen, ein schwarzes Dach.
Scheib dachte dabei sofort an den schwarzen Alfa Romeo mit Münchner Kennzeichen, in dem Stefan Leitner und Barbara Lohmann am Ostersamstag die Raststätte Edenbergen verlassen hatten. Aber Norbert hatte im Kölner Polizeipräsidium bereits erklärt, dass Margo einen schwarzen Chrysler fuhr. Margo war in Berlin, ihr Wagen stand seit Tagen unbeaufsichtigt in einer Tiefgarage. Man nahm an, Stichler habe den Chrysler benutzt, um Karen nach Frechen zu schaffen.
«Warum hätte er das tun sollen?», fragte Scheib. «Das Risiko, in einer Tiefgarage beobachtet zu werden, wie man eine bewusstlose oder verletzte Frau von einem Auto ins andere verfrachtet, ist enorm hoch.»
«Nicht höher, als wiederholt im eigenen Wagen am einzigen Nachbarn vorbeizufahren», hielt Rohdecker dagegen. «Dass die Leute über Ostern in Urlaub waren und ihn nicht gesehen haben konnten, als er Lohmann nach Hause brachte, wusste er doch nicht. Vielleicht wollte er seine Frau zuerst auch in die Wohnung seiner Stiefmutter bringen und hat sich das dann anders überlegt. Zeitlich kommt es jedenfalls hin.»
Vielleicht! Aber die Zweifel waren wieder da. «Ich würde gerne noch an der Obduktion von Frau Lohmann teilnehmen», sagte er.
«Die fangen erst nach Mittag an», erklärte Rohdecker. «Bis dahin hätte ich gerne Ihre Unterlagen.» Für sie war er letztlich nur ein Polizist, der seine Arbeit zu tun hatte.
Er bedankte sich bei Klinkhammer noch einmal für die Gastfreundschaft. Der winkte ab. «Keine Ursache. Wenn Sie mir Ihre Nummer verraten, rufe ich Sie an, sobald in Frau Stichlers Zustand eine Veränderung eintritt.»
Er gab ihm Handynummer und Bürodurchwahl, auch die Privatnummer, und war ihm dankbar für den Ausdruck. Veränderung, das klang nicht gar so sehr nach Tod.
Während der Rückfahrt nach Wiesbaden fand Scheib endlich Zeit, alles noch einmal Punkt für Punkt durchzugehen. Der schwarze Alfa Romeo lag ihm wie ein Stein im Magen. Wenn er sich nicht geirrt, wenn Stefan Leitner seine Freundin getötet und mit Hilfe seines Vaters nach Hause gebracht hatte? Leitner konnte auch am Samstag noch einmal in Frechen gewesen sein. Es hätte zu ihm gepasst.
Und wie war Karen in das Haus der Lohmanns gekommen? Nun, wo er in Ruhe nachdenken konnte, brauchte er nicht lange für eine Antwort. Ein besorgter Vater, der in Oliver Lohmann eine Gefahr für seinen Sohn sah, an den Peugeot trat und sagte: «Junger Mann, Sie verschwenden hier nur Ihre Zeit. Den Mörder Ihrer Schwester müssen Sie in der Heimat suchen.»
Wobei man Leitner senior keine böse Absicht unterstellen konnte. Er hatte zwar von Anni Weingräber alle notwendigen Informationen über den roten Mercedes-Kombi erhalten, jedoch nicht ahnen können, dass Oliver an diesem Wagen mehr als einmal gearbeitet hatte. Und weil Olivers Peugeot nicht völlig in Ordnung war, stellte Leitner senior ihm den Alfa Romeo seiner Frau zur Verfügung, damit er sicher nach Hause kam.
Aber das erschien Scheib dann doch unrealistisch. Man gab einem so konfusen jungen Mann wie Oliver kein teures Auto. So einem drückte man eher mal ein paar Geldscheine in die Hand, wenn man ihn loswerden wollte.
Kurz nach Mittag traf Scheib in Wiesbaden ein, fuhr gleich zur Dienststelle und griff sofort zum Telefon. Es wäre besser für ihn gewesen, mit Carmen Rohdecker über seine Zweifel zu sprechen. Aber das konnte er nicht, nicht sofort, nicht nach acht Jahren, nicht mit Blick auf die große Landkarte und die Gesichter der acht Frauen. Der Mörder dieser Frauen saß in Untersuchungshaft und durfte nicht wieder auf freien Fuß kommen.
Er rief in München an, bekam Weigler an die Strippe, der durch die Kripo Köln bereits informiert war. Man hatte am frühen Morgen die Aussageprotokolle Weingräber und Leitner bei ihm angefordert. Er hatte zähneknirschend zur Kenntnis genommen, dass er mit seinem Verdacht gegen Stefan Leitner wieder mal auf dem Holzweg gewesen war. Der Anruf von Scheib überraschte ihn jetzt. Und erst die Bitte. «Tun Sie mir einen Gefallen, fragen Sie bei den Leitners nach, ob sie Lohmann Geld gegeben haben, damit er nach Hause fahren konnte.»
«Kann ich mir nicht
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