Das letzte Opfer (German Edition)
war es mit Erscheinen des Berichts im Stern geworden. Barbara Lohmann war prädestiniert als Opfer, das man sofort mit Norbert in Verbindung brachte. Ihre Ähnlichkeit mit Julia Roberts und ihre regelmäßigen Fahrten nach München machten sie vollkommen. Stichler musste sie nur eine Weile beobachten und ihr folgen, um im geeigneten Moment als Retter in der Not aufzutreten. Es war anzunehmen, dass er von ihr hörte, ihr Bruder und sein Schwager seien nach Edenbergen gekommen und Oliver offenbar weiter nach München gefahren. Wenn seine Rechnung aufgehen sollte, musste er Barbaras Leiche an einen Ort bringen, von dem aus der Verdacht automatisch auf Norbert fiel.
Vielleicht rief er von unterwegs im Haus der Lohmanns an und stellte fest, dass die Bahn dort frei war. Unter diesem Aspekt bekam der abgenommene Telefonhörer, der Norbert am Ostersonntag veranlasst hatte, nach Frechen zu fahren, eine andere Bedeutung. Stichler ging natürlich davon aus, Oliver sei am Apparat. Und hätte er es geschafft, Oliver nach Hause zu locken, wäre in München keine Zeile über Barbara veröffentlicht worden. Eine rachsüchtige alte Frau hätte niemals die Gelegenheit bekommen, über einen «Verbrecher» zu triumphieren. Wirklich ein perfekter Plan, den Oliver mit seinem unkalkulierbaren Verhalten durchkreuzte.
Da am vergangenen Samstagmorgen Barbara Lohmanns Leiche immer noch nicht entdeckt worden war, hatte Stichler davon ausgehen können, dass Oliver sich immer noch in München aufhielt. Als er dann in aller Eile seine Frau selbst hatte beseitigen müssen, war das Haus in Frechen ein sicherer Platz. Er mochte gedacht haben, er könne sich später darum kümmern, sie spurlos verschwinden zu lassen.
Beweisen ließ sich das nicht. Sie hatten praktisch nichts Greifbares in der Hand. Einen verschwundenen Zettel mit der Anschrift eines Lübecker Cafés würde kein Richter als Beweis akzeptieren, meinte Carmen Rohdecker. Scheibs Vorschlag, sich mit Norbert und Sarah Dierdens Angaben auf das hellgraue Kostüm und den Platinschmuck zu stützen, den Obduktionsbefund Bergholt zum Vergleich mit Karens Verletzungen heranzuziehen und auch Mei Li Jau anzuführen, lehnte sie ab.
«Den Haftrichter muss ich nicht mit einer Mordserie erschrecken», meinte sie. «Da reichen Frau Lohmann und Frau Stichler, bei beiden haben wir ausreichend Verdachtsmomente.»
Ein Sachbeweis wäre ihr jedoch entschieden lieber gewesen. Am späten Abend schien es für kurze Zeit, als gäbe es einen. Sie hatte ein Team vom Erkennungsdienst zum Amselweg nach Sindorf beordert. Einen Durchsuchungsbeschluss brauchte sie dafür nicht, so etwas nannte sich Beweissicherung. Bis weit in den Abend hinein waren die Männer im Haus und auf dem Grundstück beschäftigt. Unter Quarzlicht tauchten an Türklinken und Knäufen, den Handläufen der Treppen und außen am Rahmen der Terrassentür blutige Fingerspuren auf. Von wem sie stammten, ließ sich nicht mehr feststellen.
Unter den Augen der Nachbarschaft, die sich nachmittags auf dem Grundstück nebenan um einen Holzkohlegrill versammelt hatte, gruben zwei Männer den Garten um. Die anderen trugen Kartons mit Damengarderobe und Schriftstücken, den Computer samt Disketten und Karens Schmuckkassette zu den Wagen, klopften Decken, Wände und Fußböden nach Hohlräumen ab, durchkämmten das Haus und die Garage bis in den letzten Winkel, untersuchten sogar den Kamin der Ölzentralheizung, holten etwas Ruß heraus und einen toten Spatz, aber keinen Schmuck oder sonst etwas aus dem Besitz der Opfer. Auf dem Dachboden standen nur ein paar aussortierte Möbel, die den Vorbesitzern gehört hatten.
Aber tief in einer Couchritze entdeckten die Männer schließlich doch etwas: einen Schlüssel, der nicht zum Haus gehörte. Scheib nahm an, Marko habe sich einen Ersatzschlüssel für das Haus der Lohmanns anfertigen lassen, weil Barbaras Schlüssel in ihrer Handtasche gewesen war. Doch in Frechen passte der Schlüssel nicht, wie zwei eilends abkommandierte Polizisten feststellten.
«Für das Häuschen der Lohmanns braucht man keinen Schlüssel», sagte Klinkhammer. «Da konnte er jederzeit durchs Fenster rein und durch die Tür wieder raus, es war nicht abgeschlossen.»
Carmen Rohdecker schickte die Polizisten weiter zu Margos Wohnung. Doktor Brand versuchte daraus später ein unbefugtes Eindringen und die Absicht einer richterlich nicht sanktionierten Durchsuchung zu machen, die nur dadurch vereitelt wurde, dass er Margo informiert, sie
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