Das letzte Opfer (German Edition)
ertrunken, als er versuchte, sie zu retten. Man musste ihn mit Gewalt daran hindern, noch einmal ins Wasser zu gehen. Und Barbara Lohmann, vermutlich hätte er sie nicht einmal bemerkt, wenn sie vor seiner Nase einen Handstand gemacht hätte. Wenn er wochenlang Models vor der Kamera hatte, ist er froh, wenn er eine Weile keine hübschen Gesichter mehr sehen muss. Einem Baum muss er keine Komplimente machen und einem Bach nicht sagen, wie er sich bewegen soll.»
«Verstehe», sagte Klinkhammer. Es klang mitleidig.
«Dann verstehen Sie mich bitte nicht falsch», sagte sie. «Er wollte unbedingt, dass wir zusammen fahren. Und ich dachte, eine längere Autofahrt halte ich nicht aus. Ich hatte mehrfach mit einem Psychologen über diese Unglücksfahrt gesprochen. Es war alles wieder aufgewühlt worden. Ich konnte nur keinem Menschen erklären, warum ich damals losgefahren bin. Es hätte vielleicht so ausgesehen, als ob ich einverstanden gewesen wäre. Ich meine, manche Frauen denken bestimmt an Rache. Das habe ich nie getan. Meine Tochter ist ein wunderbares Kind. Sie war für mich auch nie eine Belastung, eher wie eine kleine Schwester.»
«Verstehe», sagte Klinkhammer noch einmal und fragte, ob sie sich zutraue, Pitter Karotte auf einem Foto zu identifizieren. «Wenn er vorbestraft ist, haben wir ihn in der Kartei. Wir haben auch bestimmt noch ein Foto von ihm aus früheren Jahren.» Er schlug vor, sie solle sich bei ihm melden, wenn sie es einrichten könne, vielleicht am Montag oder Dienstag, wenn ihr Mann in seiner Agentur zu tun habe. Er wollte dafür sorgen, dass eine Beamtin zur Verfügung stand.
Nachdem Karen aufgelegt hatte, fühlte sie sich erleichtert. Sie stellte das Telefon zurück in die Diele, ging unter die Dusche, stand eine halbe Stunde vor dem Spiegel, um Make-up aufzutragen und die Frisur zu föhnen, machte die Betten und wischte das Bad auf.
Zu Mittag kochte sie süße Knödel mit Vanillesoße, damit Kevin sich endlich waschen und anziehen ließ. Nach dem Essen ging sie mit ihm zum Gartencenter und kaufte Rasensamen, Tomatensträucher hatten sie nicht. Kevin stand wieder eine halbe Stunde bei den Fischbecken, grabschte im Wasser herum, wollte einen Fisch mitnehmen, obwohl Marko ihm erklärt hatte, dass es keinen Teich geben würde und sie stattdessen morgen einen Ausflug machen würden. Ein Verkäufer scheuchte ihn schließlich zurück in den Laden.
Wieder zu Hause, setzte sie sich an den Computer und schob ihre Diskette ein. Mach dir einen schönen Tag! Seit ihrem Gespräch mit Klinkhammer war es zumindest ein besserer als der Donnerstag. Sie war überzeugt, das Richtige getan zu haben.
Gute Beziehungen
Nach ihrem Anruf verbrachte Arno Klinkhammer noch geraume Zeit am Telefon. Er war weit davon entfernt, ihr zu glauben, nahm erst einmal an, sie habe auf Befehl ihres Mannes zum Hörer gegriffen, um dessen Märchen zu bestätigen und detailreich auszuschmücken. Daran änderte auch ihre Bitte um Vertraulichkeit nichts, im Gegenteil, das gehörte dazu, wenn man sich den Anschein von Wahrhaftigkeit geben wollte.
Pitter Karotte und ein verschwundenes Höschen, nur ein einfaches, weißes. Eine ältere Frau mit einem kleinen Hund namens Lilli. Ein Schrottauto im Gebüsch und ein nackter Penner, der seine Kleider schrubbte und sie mit wüstem Geschimpfe in die Flucht schlug. Und Mei Li Jau war nach China geflogen. Ebenso gut hätte sie behaupten können, ihre Freundin habe damals einen Flug zum Mond gebucht. Aber ein paar Angaben hatte sie gemacht, die man überprüfen konnte.
Zuerst rief er in Bergisch Gladbach an, um das Aktenzeichen in Erfahrung zu bringen, unter dem der Unfall mit Todesfolge bei der Kölner Staatsanwaltschaft liegen musste. Er machte die Sache dringend, erkundigte sich auch gleich nach einem Mordopfer zur fraglichen Zeit, und – obwohl es ihm selbst lächerlich erschien –, ob damals in der Umgebung von Kürten-Biesfeld ein Auto in freier Natur abgestellt worden oder ein Penner aufgefallen war, der bei einem Teich mit Enten hauste. Zumindest über das Auto hätte es eine Aktennotiz geben müssen. Und wenn Tippelbrüder sich irgendwo niederließen, war das meist auch auf den zuständigen Wachen bekannt.
Es dauerte eine Weile, bis sämtliche Informationen zusammen waren. Von einem Obdachlosen oder einem Fahrzeug, das auf Kosten der Behörden hätte entfernt werden müssen, wusste man nichts. Von einem Mordopfer – ob nun männlich oder weiblich, europäischer oder
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