Das letzte Opfer (German Edition)
asiatischer Abstammung – war ebenfalls nichts bekannt. Klinkhammer hatte es nicht anders erwartet. Er hielt Mei Li Jau und den nackten Penner für Erfindungen des Ehemannes.
Nachforschungen bei diversen Fluggesellschaften ersparte er sich, am Telefon bekäme er ohnehin keine Auskunft. Auch für die Einwohnermeldeämter brauchte er Unterstützung. Doch die wusste er sich zu beschaffen. Er telefonierte noch ein Weilchen mit der Kölner Staatsanwaltschaft und äußerte seine Anliegen: Feststellen, ob zwischen 1988 und 1990 eine Mei Li Jau irgendwo in Köln gemeldet gewesen sei; Auskunft über einen einschlägig vorbestraften Mann, Spitzname Karotte, Vorname vermutlich Peter; und Einblick in die Geburtsurkunde Jasmin sowie in die Strafakte Karen Dierden. Der Badeunfall von Marko Stichlers Schwester interessierte ihn nicht.
Unter normalen Voraussetzungen hätte es einige Tage, eher Wochen gedauert, Einblick in Karens Strafakte zu erhalten, wenn es überhaupt dazu gekommen wäre. Es war eine Ermessensfrage. Thomas Scheib hätte über das Bundeskriminalamt Druck ausüben können. Klinkhammer musste nur erzählen, er habe da eine mysteriöse Geschichte, der er gerne auf den Grund gehen wolle, womit die Kripo München jedoch nicht einverstanden sei.
Die Oberstaatsanwältin, mit der er sprach, war seit der gemeinsamen Schulzeit mit seiner Frau befreundet, natürlich auch mit ihm. Und wie er fand sie, die Kripo München habe in Köln nichts zu sagen. Sie fragte nach Einzelheiten der mysteriösen Geschichte, er erzählte ein wenig. Danach dauerte es nicht ganz zwei Stunden, bis sie das Gewünschte beisammen hatte.
Mei Li Jau war in Köln nie amtlich registriert gewesen, weder vor zehn Jahren noch zu anderen Zeiten. Die Gastfamilie des in der Geburtsurkunde Jasmin Dierden als Vater eingetragenen italienischen Austauschschülers war ebenso frei erfunden wie seine Heimatadresse. Diesbezüglich hatte die Oberstaatsanwältin Rücksprache mit dem Jugendamt gehalten, immerhin ging es um Vergewaltigung.
Und es hatte Ende 87, Anfang 88 mehrere sexuelle Übergriffe gegeben. Der Täter – Spitzname Karotte, mit bürgerlichem Namen Peter Kolbe –, bändelte mit seinen Opfern in Lokalen an, wurde auf dem Heimweg zudringlich, stieß er auf Ablehnung, verlieh er seinem Begehren mit den Fäusten Nachdruck. Das passte in etwa zu Karens Geschichte. Zeitlich kam es auch hin, Januar 1988.
Im Februar 1988 war Peter Kolbe zum ersten Mal festgenommen und zu einer lächerlich geringen Haftstrafe verurteilt worden, weil man seinem ersten Opfer eine gewisse Mitschuld anlastete. Ein halbes Jahr, wovon man ihm zwei Monate auf Bewährung schenkte. Schon im Juli 88 war er wieder auf freiem Fuß und im folgenden Winter erneut straffällig geworden. Im Frühjahr 89 hatte er achtzehn Monate bekommen. Anfang August 1990 war er wieder draußen.
Zurzeit saß Peter Kolbe in der JVA Ossendorf, diesmal für drei Jahre wegen Einbruch in Tateinheit mit sexueller Nötigung und Raub. Der lief vorerst nicht weg. Mit ihm wollte Klinkhammer sich später beschäftigen. Interessant war, dass Kolbe immer bei seiner Mutter gelebt hatte – in der Nähe des Clodwigsplatzes, und dass seine Mutter seit ewigen Zeiten Hundesteuer zahlte.
«Das gibt’s nicht», meinte Klinkhammer fassungslos. «Der fällt über das arme Ding her und schickt anschließend seine Mutter, um mal nachzuschauen, wie es ihr geht.»
«Kann auch anders gewesen sein», sagte die Oberstaatsanwältin. Ihr fiel die Vorstellung schwer, dass Peter Kolbe in äußerst brutaler Weise über ein fünfzehnjähriges Mädchen hergefallen sein sollte. Seine Opfer waren ausnahmslos erheblich älter als er selbst gewesen. Er hatte offenbar ein kleines Problem mit seiner Mutter. Und der Frau, in deren Wohnung er zuletzt eingedrungen war, hatte er die Wahl gelassen, vaginal oder oral. Letzteres wäre für sie vermutlich nicht so unangenehm, hatte er gesagt und sich im Anschluss noch entschuldigt, sie überhaupt mit seinen Bedürfnissen belästigt zu haben.
Nach den telefonischen Auskünften legte die Oberstaatsanwältin ihm die komplette Strafakte Dierden ins Fax, einschließlich sämtlicher Zeugenaussagen, dem Gutachten eines Verkehrssachverständigen und der über Norbert Dierden verhängten Ordnungsstrafe.
Klinkhammer las, dass Karen damals angegeben hatte, sie sei unterwegs gewesen zu einem von ihrer Freundin vermittelten Rendezvous mit dem Vater ihrer Tochter. Das fand er sehr interessant. Noch
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