Das Letzte Plädoyer: Roman
unserem Besitz haben, aber wenn der einzige noch lebende Sohn deines Vaters mit dem Umschlag und mit dem neuen Testament auftaucht, dann müssten wir denjenigen, der die Sammlung derzeit verwaltet, eigentlich problemlos davon überzeugen können, dass du der rechtmäßige Erbe bist.«
»Aber Nick nimmt möglicherweise an der Auktion teil.«
»Wenn ihm bis jetzt noch nicht klar ist, dass es auf die Adresse ankommt, nicht auf die Marke, dann ist es ohnehin zu spät, als dass er noch etwas tun könnte. Du kannst nur für eines dankbar sein, Hugo.«
»Und das wäre, altes Mädchen?«
»Dass Nick nicht wie sein Großvater denkt.«
Danny schlug den Katalog erneut auf. Er blätterte zu Posten 37 und las den Eintrag noch einmal gründlicher als zuvor. Es freute ihn, dass sein Umschlag so umfassend beschrieben wurde, allerdings war er ein wenig enttäuscht, dass er, anders als viele andere Posten, ohne Abbildung aufgeführt wurde.
Er studierte die Bedingungen des Verkaufs und musste zu seinem Entsetzen feststellen, dass Sotheby’s zehn Prozent des Verkaufspreises vom Käufer abzog und noch einmal zwanzig Prozent Prämie vom Käufer. Wenn er nur 1800 Pfund erzielte, wäre er besser davongekommen, hätte er an Stanley Gibbons verkauft – was Nick sicherlich getan hätte.
Danny schlug den Katalog zu und richtete seine Aufmerksamkeit auf den einzigen anderen Brief, den er an diesem Morgen erhalten hatte: eine Broschüre und ein Anmeldeformular für ein Studium an der London University. Er nahm sich viel Zeit, um über die diversen Möglichkeiten nachzudenken. Schließlich blätterte er zu dem Abschnitt ›Stipendiumsbewerbungen‹. Er wusste, sollte er sein Versprechen Nick und Beth gegenüber halten, würde das sein Leben beträchtlich verändern.
Auf Nicks Konto befanden sich nur noch 716 Pfund. Seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis war auf der Haben-Seite kein einziger neuer Eintrag erfolgt. Danny fürchtete, sein erstes Opfer würde Molly werden. Dann würde das Haus rasch wieder in dem Zustand sein, in dem er es seinerzeit vorgefunden hatte, als er das erste Mal die Tür öffnete.
Danny hatte es vermieden, bei Mr. Munro anzurufen und sich nach einem Statusbericht in der Schlacht gegen seinen Onkel Hugo zu erkundigen, weil er fürchtete, dass dann eine neue Rechnung ins Haus geflattert kam. Er lehnte sich zurück und dachte über den Grund nach, warum er überhaupt in Nicks Fußstapfen getreten war. Big Al hatte ihn davon überzeugt, wenn er fliehen konnte, wäre alles möglich. Danny hatte rasch herausgefunden, dass ein mittelloser Mann allein keine Chance gegen drei höchst erfolgreiche Karrieretypen hatte, selbst wenn sie glaubten, er sei tot und vergessen. Er dachte an seine Pläne, mit deren Umsetzung er begonnen hatte. Es fing damit an, dass er an diesem Abend die letzte Vorstellung von
Bunbury
besuchen würde. Wenn der Vorhang gefallen war und er an der Dernièrenparty teilnahm, würde er zum ersten Mal Lawrence Davenport von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.
44
Danny stand auf und zollte wie alle anderen im Stehen seine Ovationen, nicht zuletzt deshalb, weil er sonst einer der ganz wenigen im Theater gewesen wäre, die immer noch saßen. Das Stück hatte ihm beim zweiten Mal sogar noch besser gefallen, aber nur, weil er in der Zwischenzeit das Buch gelesen hatte.
Sein Platz lag in der dritten Reihe, zwischen den Familienangehörigen und Freunden des Ensembles, was sein Vergnügen noch erhöhte. Der Bühnenbildner saß auf der einen Seite und die Frau des Produzenten auf der anderen. In der Pause luden sie ihn auf einen Drink ein. Er lauschte dem Theatergeplauder, fühlte sich aber nur selten selbstsicher genug, eine eigene Meinung zu äußern. Aber darauf schien es nicht anzukommen, da alle bereits unerschütterliche Meinungen zu jedem beliebigen Thema zu haben schienen, von Davenports Darstellung bis zu dem Grund, warum es im West End fast nur noch Musicals gab. Danny schien mit den Theaterleuten nur eines gemeinsam zu haben: Keiner von ihnen wusste, wie sein nächster Job aussehen würde.
Nachdem Davenport unzählige Male vor den Vorhang geklatscht worden war, verließ das Publikum irgendwann das Theater. Da es eine klare Nacht war, beschloss Danny, zum Dorchester zu gehen. Die Bewegung würde ihm gut tun, und ein Taxi konnte er sich ohnehin nicht leisten.
Er schlenderte in Richtung Piccadilly Circus, als eine Stimme hinter ihm rief: »Sir Nicholas?« Er drehte sich um und erkannte
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