Das Letzte Plädoyer: Roman
überzeugen können, dass eine Ungerechtigkeit vorliegt, kann der Lordkanzler der Königin empfehlen, das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben. In den Tagen der Todesstrafe kam das relativ häufig vor, aber heutzutage ist es eher selten.«
»Wie stehen die Chancen, dass Dannys Fall berücksichtigt würde?«, wollte Beth wissen.
»Begnadigungsanträge kommen nur selten durch, obwohl es viele Leute in hochrangigen Positionen gibt, die glauben, dass Danny keine Gerechtigkeit widerfahren ist – einschließlich mir.«
»Sie scheinen zu vergessen, Mr. Redmayne, dass ich dabei war, als mein Bruder ermordet wurde. Ich habe dem Gericht gesagt, was in jener Nacht geschah, und meine Aussage blieb felsenfest – nicht, wie Mr. Pearson andeutete, weil ich mich auf die Verhandlung vorbereitet hatte, sondern weil ich die Wahrheit sagte. Es gibt noch drei Menschen, die wissen, dass ich die Wahrheit sagte – und einen vierten, Toby Mortimer, der wenige Tage vor seinem Selbstmord meine Aussage bestätigte, aber trotz Ihrer Bemühungen wollte sich der Richter im Berufungsverfahren nicht einmal die Kassette anhören. Warum sollte es dieses Mal anders sein?«
Alex antwortete nicht gleich, weil er einen Augenblick brauchte, um sich von Beths Rüffel zu erholen. »Wenn Sie eine neuerliche Kampagne unter Dannys Freunden anregen könnten«, sagte er schließlich, »wie damals, als er noch lebte, dann gäbe es einen Aufschrei, sollten die Lords des Oberhauses den Fall nicht erneut aufrollen. Wenn Sie sich jedoch für diesen Weg entschließen«, fuhr er fort, »dann wird das eine lange und mühselige Angelegenheit, Beth. Ich biete Ihnen meine Dienste natürlich kostenlos an, aber alles in allem wäre es dennoch nicht billig.«
»Geld ist kein Problem mehr«, meinte Beth zuversichtlich. »Immerhin konnte ich die Werkstatt zu einem weit höheren Preis verkaufen, als ich es je für möglich gehalten hätte. Die Hälfte des Geldes habe ich für Christys Ausbildung beiseitegelegt, weil Danny sich gewünscht hätte, dass sie es einmal besser hat als er. Und die andere Hälfte würde ich gern für den Versuch aufwenden, den Fall erneut aufzurollen, wenn Sie glauben, dass auch nur der Hauch einer Chance besteht, seinen Namen reinzuwaschen.«
Alex beugte sich ein zweites Mal vor und nahm ihre Hand. »Beth, darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?«
»Alles. Wann immer Danny von Ihnen sprach, pflegte er zu sagen: ›Er ist ein Schatz, du kannst ihm alles sagen.‹«
»Das betrachte ich als großes Kompliment, Beth. Jetzt habe ich den Mut, Sie etwas zu fragen, was mir schon lange auf der Seele liegt.«
Beth sah auf. Das Feuer warf einen warmen Glanz auf ihre Wangen.
»Sie sind eine junge, schöne Frau, Beth, mit seltenen Charaktereigenschaften, die Danny erkannt hat. Aber finden Sie nicht, dass es an der Zeit ist, Ihr Leben fortzuführen? Danny ist jetzt schon über ein Jahr tot.«
»Ein Jahr, zwei Wochen und fünf Tage.« Beth senkte den Kopf.
»Er hätte sicher nicht gewollt, dass Sie den Rest Ihres Lebens um ihn trauern.«
»Nein, sicher nicht«, gab Beth ihm recht. »Nachdem seine Berufung gescheitert war, hat er sogar den Kontakt zu mir abgebrochen. Aber es war ihm nicht ernst damit, Mr. Redmayne.«
»Wie können Sie da so sicher sein?«, fragte Alex.
Sie öffnete ihre Handtasche, nahm den letzten Brief von Danny an sie heraus und reichte ihn Alex.
»Man kann es kaum lesen«, sagte er.
»Und woran liegt das?«
»Sie kennen doch die Antwort, Beth. Ihre Tränen …«
»Nein, Mr. Redmayne, nicht meine Tränen. Obwohl ich diesen Brief in den letzten zwölf Monaten jeden Tag gelesen habe, wurden diese Tränen nicht von mir vergossen, sondern von dem Mann, der den Brief geschrieben hat. Er wusste, wie sehr ich ihn liebte. Wir hätten ein wunderbares Leben gehabt, auch wenn wir uns nur einen Tag pro Monat gesehen hätten. Ich hätte gern zwanzig Jahre auf ihn gewartet, in der Hoffnung, dass ich irgendwann den Rest meines Lebens mit dem einzigen Mann verbringen könnte, den ich jemals lieben werde. Ich weiß, ich kann ihn nicht zurückbringen, aber wenn ich dem Rest der Welt seine Unschuld beweisen könnte, wäre das genug. Wirklich genug.«
Alex stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und nahm eine Akte zur Hand. Er wollte nicht, dass Beth sah, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen. Er sah aus dem Fenster zu der Statue einer Frau mit Augenbinde, die auf dem Dach gegenüber der Welt eine Waage entgegenstreckte. Leise
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