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Das Letzte Plädoyer: Roman

Das Letzte Plädoyer: Roman

Titel: Das Letzte Plädoyer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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mussten, da jeder Gefangene durchsucht wurde, bevor er eintreten durfte.
    »Warum machen die sich die Mühe, uns zu durchsuchen, bevor wir in die Kapelle gehen?«, fragte Danny.
    »Weil das hier eine der wenigen Chancen ist, wo Gefangene aus allen vier Blocks aufeinandertreffen und die Möglichkeit haben, Drogen oder Informationen auszutauschen.«
    Zwei Beamte führten die Durchsuchungen durch – eine kleine Frau über Vierzig, die offenbar nichts als das Gefängnisessen zu sich nahm, und ein junger Mann, der aussah, als ob er viel Zeit beim Krafttraining verbrachte. Die meisten Gefangenen schienen von der Beamtin abgetastet werden zu wollen.
    Danny und Nick schlenderten in die Kapelle, wieder ein langgestreckter, rechteckiger Raum, jedoch angefüllt mit langen Holzbänken, die vor einem Altar mit einem silbernen Kreuz standen. An der Backsteinwand hinter dem Altar befand sich ein riesiges Wandgemälde, auf dem das letzte Abendmahl zu sehen war. Nick erklärte Danny, dass es von einem Mörder gemalt worden war; die dargestellten Jünger waren zu der Zeit allesamt Insassen von Belmarsh.
    »Gar nicht übel«, meinte Danny.
    »Nur weil man ein Mörder ist, heißt das noch lange nicht, dass man nicht auch andere Talente hätte«, sagte Nick. »Denke nur an Caravaggio.«
    »Ich glaube, dem bin ich noch nicht begegnet«, gab Danny zu.
    »Schlagen Sie Seite 127 in Ihren Gesangbüchern auf«, bat der Kaplan. »Wir singen
He Who Would Valiant Be

    »Ich stelle dir Caravaggio vor, sobald wir wieder in unserer Zelle sind«, versprach Nick, als die kleine Orgel den ersten Akkord anschlug.
    Beim Singen konnte Nick nicht unterscheiden, ob Danny die Worte ablas oder ob er sich einfach an den Text erinnerte, nachdem er jahrelang die Gottesdienste seiner Gemeinde besucht hatte.
    Nick sah sich in der Kapelle um. Es überraschte ihn nicht, dass es so voll war wie in einem Fußballstadion am Samstagnachmittag. Eine Gruppe Gefangene in der letzten Reihe war im Gespräch vertieft. Sie machten sich gar nicht erst die Mühe, ihre Gesangbücher aufzuschlagen, während sie sich gegenseitig darüber informierten, welcher Neuankömmling Drogen brauchte. Danny hatten sie bereits als
Nullnummer
abgeschrieben. Und als alle auf die Knie fielen, bewegten sie nicht einmal die Lippen zum Vaterunser. Sie schwiegen nur, während der Kaplan seine Predigt hielt. Wie sich herausstellte, war Dave – sein Name stand in Großbuchstaben auf einem Button an seinem Talar – ein guter, altmodischer und erzkonservativer Priester, der an diesem Tag über Mord sprechen wollte. Das führte zu lauten ›Halleluja!‹-Rufen aus den ersten drei Reihen, in denen hauptsächlich ausgelassene Schwarze aus den Karibikstaaten saßen, die bei diesem Thema offenbar mitreden konnten.
    Dave bat seine aufmerksame Zuhörerschaft, ihre Bibeln zur Hand zu nehmen und das erste Buch Mose aufzuschlagen. Dann verkündete er, dass Kain der erste Mörder gewesen sei. »Kain war neidisch auf den Erfolg seines Bruders«, erläuterte er. »Darum beschloss er, ihn aus dem Weg zu räumen.« Dave kam auf Moses zu sprechen, der, wie er sagte, einen Ägypter ermordet hatte und glaubte, damit durchzukommen, was aber nicht so war, weil Gott ihn beobachtet hatte; so wurde er für den Rest seines Lebens bestraft.
    »Daran kann ich mich gar nicht erinnern«, flüsterte Danny.
    »Ich auch nicht«, räumte Nick ein. »Ich dachte, Moses sei friedlich im Alter von 130 im Bett gestorben.«
    »Bitte schlagen Sie jetzt alle das zweite Buch Samuel auf«, fuhr Dave fort. »Dort stoßen Sie auf einen König, der Mörder war.«
    »Halleluja«, riefen die ersten drei Bankreihen, wenn auch nicht unisono.
    »Ja, König David war ein Mörder«, erklärte Dave. »Er wollte Uriah, den Hittiter, aus dem Weg räumen, weil er es auf dessen Frau Bathseba abgesehen hatte. Aber König David war sehr schlau, und weil es nicht so aussehen sollte, als sei er für den Tod eines Menschen verantwortlich, befahl er Uriah bei der nächsten Schlacht in die erste Reihe an der Front, damit er auf jeden Fall getötet wurde. Aber Gott sah, was David getan hatte, und bestrafte ihn, denn Gott sieht jeden Mord und wird jeden bestrafen, der Seine Gebote bricht.«
    »Halleluja«, riefen die ersten drei Reihen im Chor.
    Dave beendete seine Predigt mit einem Schlussgebet, in dem die Worte Verständnis und Vergebung mehrmals wiederholt wurden. Schließlich sprach er den Segen für die Gemeinde, wahrscheinlich eine der größten in

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