Das Letzte Protokoll
tun als malen.«
Vielleicht hat Misty ihn deswegen geliebt.
Dich geliebt.
Weil du so viel mehr an sie geglaubt hast als sie an sich selbst. Weil du mehr von ihr erwartet hast als sie von sich selbst.
Misty malte die winzigen goldenen Griffe an der Kirchentür und sagte: »Kann sein.« Sie sagte: »Aber eben deshalb will ich keine Kinder...«
Nur um das festzuhalten: Das war schon irgendwie süß. Wie er ihre Antibabypillen gegen kleine herzförmige Bonbons ausg e tauscht hatte.
»Du brauchst mich nur zu heiraten«, sagte Peter, »dann wirst du die nächste große Malerin der Waytansea-Schule.«
Maura Kincaid und Constance Burton.
Misty sagte, zwei Malerinnen allein könnten noch nicht als »Schule« gelten.
Und Peter sagte: »Mit dir sind es drei.«
Maura Kincaid, Constance Burton und Misty Kleinman.
»Misty Wilmot«, sagte Peter und steckte sich das Bild u n ter den Pullover.
Sagtest du.
Im Fernsehen schrie ein Mann: »Te amo... Te amo...« I m mer und immer wieder rief er das einer dunkelhaarigen Schönheit mit braunen Augen und langen, zarten Wi m pern zu, während er sie gleichzeitig mit Tritten eine Tre p pe hinunterbeförderte.
Das Bild fiel aus dem Pullover, und wieder fing Peter es auf.
Er stellte sich neben Misty, die sich mit den Details der großen Kirche befasste und grüne Moosflecken auf das Dach und roten Rost an die Regenrinnen malte. Und er sagte: »In dieser Kirche, in genau der werden wir heir a ten.«
Und eine du-du-dumme kleine Misty sagte, sie habe sich diese Kirche doch bloß ausgedacht. Die gebe es in Wirklichkeit gar nicht.
»Das glaubst du vielleicht«, sagte Peter. Er küsste sie auf den Hals und flüsterte: »Heirate mich, die Insel wird für dich die größte Hochzeit veranstalten, die man dort seit hundert Jahren erlebt hat.«
11. Juli
Nach Mitternacht, unten im Foyer ist niemand mehr außer Pa u lette Hyland am Empfang. Grace Wilmot würde dir erzählen, Pa u lette sei bloß eine angeheiratete Hyland, davor sei sie eine Petersen gewesen, ihre Mutter allerdings sei eine Nieman aus der Tupper-Linie. Und das habe fr ü her viel altes Geld auf beiden Seiten der Familie bedeutet. Jetzt arbeitet Paulette als Empfang s angestellte.
In den Tiefen des Foyers, in den Tiefen eines roten Lederse s sels sitzt Grace am Kamin und liest.
Das Foyer des Waytansea: jahrzehntealtes Zeug, alles miteina n der vermengt. Ein Garten. Ein Park. Der Wol l teppich, moosgrün auf Granitplatten aus dem nahen Steinbruch. Der blaue Tre p penbelag ein Wasserfall von Absatz zu Absatz, von Stufe zu St u fe. Walnussbäume, gehobelt und poliert und wieder zusamme n gesetzt zu einem Wald aus quadratischen Säulen, schnurgerade ausgerichteten dunkel glänzenden Bäumen, die einen Wal d himmel aus Stuckblättern und Putten tragen.
Ein Kristallkronleuchter, ein massiver Sonnenstrahl, der in di e se Lichtung fällt. Die Kristallklunker sehen so hoch da oben wi n zig aus, aber wenn man zum Abstauben auf einer hohen Leiter steht, sind die Dinger faustgroß.
Faltige Massen grüner Seide hängen vor den Fenstern. Tag s über dämpfen sie die Sonne zu einem mattgrünen Schimmer. Die Sofas und Sessel mit ihren üppigen Polstern sind blühende B ü sche, an denen unten struppige Fransen hängen. Der Kamin könnte ein Lagerfeuer sein. Das Foyer ist die Insel in Kleinfo r mat. Überdacht. Ein P a radies.
Nur um das festzuhalten: In dieser Landschaft fühlt Grace Wilmot sich am wohlsten. Noch wohler als zu Ha u se. In ihrem Haus.
Deinem Haus.
Als Misty sich zwischen den Sofas und kleinen Tischen hi n durchzwängt, blickt Grace auf.
Sie sagt: »Misty, setz dich zu mir an den Kamin.« Sie schaut in ihr Buch und sagt: »Was machen deine Kop f schmerzen?«
Misty hat keine Kopfschmerzen.
In Grace' Schoß liegt ihr Tagebuch, in rotes Leder g e bunden. Sie sieht hinein und sagt: »Welches Datum haben wir heute?«
Misty sagt es ihr.
Die Scheite im Kamin sind zu einem flachen Häufchen orang e roter Glut unter dem Gitter niedergebrannt. Grace' Füße st e cken in braunen Schnallenschuhen. Sie streckt die Fußspitzen, kommt aber nicht bis auf den Boden. Ihre la n gen weißen Locken hängen über dem Buch auf ihrem Schoß. Das Licht einer Stehlampe n e ben ihrem Sessel wird vom Silberrand der Lesel u pe reflektiert, mit der sie über die Zeilen fährt.
Misty sagt: »Mutter Wilmot, wir müssen reden.«
Und Grace blättert ein paar Seiten zurück und sagt: »Oje. Mein Fehler. Diese schrecklichen Kopfschmerzen bekommst
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