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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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ten und angelaufenen Stellen; seine Füße sind auf einen Sockel g e schraubt, der vom Gestrüpp neben dem Pfad überwuchert ist. Iris und Pupille sind nach römischer Art konkav in die Augä p fel eingearbeitet. Die nackten Arme und Beine stehen im perfekten Verhältnis zum Kö r per. Der goldene Schnitt. Das Ganze ist nach allen Regeln der Kunst gestaltet.
    Die Antwort der Griechen auf die Frage, warum wir li e ben, was wir lieben. Mehr von diesem Kunstakademie-Koma.
    Die Frau am Boden: weißer Marmor, zerbrochen. Tabbis rosa Hand wischt Laub und Gras von den langen weißen Schenkeln, die verschämten Falten des bleichen marmornen Unterleibs b e gegnen sich an einem gemeißelten Fe i genblatt. Die glatten Finger und Arme, die Ellbogen m a kellos. Die steinernen Locken des Marmorhaars.
    Tabbi zeigt auf einen leeren Sockel gegenüber der Bro n zefigur und sagt: »Diana ist schon umgestürzt, lange bevor ich sie en t deckt habe.«
    Die Bronzewade des Mannes fühlt sich kalt an, aber jede Sehne, jeder Muskel ist klar herausgearbeitet. Misty streicht mit der Hand über das kalte Bein und sagt: »Du warst schon mal hier?«
    »Apollo hat keinen Schwanz«, sagt Tabbi. »Ich hab schon nac h gesehen.«
    Und Misty zuckt die Hand von dem am Unterleib der Statue befestigten Blatt weg. Sie sagt: »Wer hat dich hie r her geführt?«
    »Omi«, sagt Tabbi. »Omi geht oft mit mir hierher.«
    Tabbi bückt sich und reibt ihre Wange an der glatten Marmo r wange Dianas.
    Die Bronzestatue, Apollo, muss eine Kopie aus dem 19. Jah r hundert sein. Allenfalls spätes 18. Jahrhundert. Jede n falls kein griechisches oder römisches Original. Dann stünde sie in e i nem Museum.
    »Warum sind die hier?«, sagt Misty. »Hat deine Gro ß mutter dir das erzählt?«
    Und Tabbi zuckt die Achseln. Sie reicht Misty die Hand und sagt: »Es gibt noch mehr.« Sie sagt: »Komm, ich zeig's dir.«
    Es gibt noch mehr.
    Tabbi führt sie durch den Wald auf der Landspitze, und da fi n den sie auf dem Boden eine Sonnenuhr, dick mit Grünspan überkrustet. Sie finden einen Brunnen vom Durchmesser eines Swimmingpools, aber gefüllt mit abgefallenen Zweigen und E i cheln.
    Sie kommen an einem Hang vorbei, in den eine Höhle gegr a ben ist, ein dunkles Loch mit bemoosten Säulen an den Seiten, d a zwischen ein zugekettetes Eisengitter. Der Eingang ist mit einem B o gen aus behauenen Felsstücken ummauert, in den oben sauber ein Schlussstein gesetzt ist. Schick wie ein kleines Bankgebäude. Die Fassade eines verschimmelten, vergessenen Regierungssi t zes. Gemeiße l te Engel halten Steingirlanden aus Äpfeln, Birnen und Trauben. Steinerne Blumenkränze. Und alles schmutzig, ri s sig, von Baumwurzeln gesprengt.
    Dazwischen Pflanzen, die da nicht hingehören. Eine Kletterr o se, die eine Eiche erwürgt, fünfzehn Meter rankt sie sich hoch und reckt ihre Blüten über die Baumkrone. Welke gelbe Tulpe n blätter, die in der Sommerhitze verschmachtet sind. Eine tur m hohe Mauer aus Stängeln und Blättern erweist sich als gewaltiger Fliederbusch.
    Tulpen und Flieder sind hier nicht einheimisch.
    Nichts von all dem dürfte sich hier aufhalten.
    Auf der Wiesenlichtung im Zentrum der Landspitze, auf einer Decke dort im Gras sitzt Grace Wilmot. Um sie he r um blühen rosa und blaue Kornblumen und kleine weiße Gänseblümchen. Über dem offenen Picknickkorb summen Fliegen.
    Grace hebt sich auf die Knie, sie hält ihnen ein Glas Rotwein entgegen und sagt: »Misty, da bist du ja. Komm, trink.«
    Misty nimmt den Wein und trinkt. »Tabbi hat mir die Statuen gezeigt«, sagt sie. »Was war das hier früher?«
    Grace steht auf und sagt: »Tabbi, pack deine Sachen. Wir mü s sen jetzt los.«
    Tabbi nimmt ihren Pullover von der Decke.
    Und Misty sagt: »Aber wir sind doch grade erst geko m men.«
    Grace reicht ihr ein Sandwich auf einem Teller und sagt: »Du bleibst hier und isst etwas. Du hast den ganzen Tag Zeit zum M a len.«
    Auf dem Sandwich ist Hühnersalat. Es hat in der Sonne gelegen und ist ganz warm. Fliegen haben darauf gese s sen , aber es riecht noch nicht schlecht. Misty beißt hinein.
    Grace nickt Tabbi zu und sagt: »Das war ihre Idee.«
    Misty kaut und schluckt. Sie sagt: »Die Idee ist reizend, aber ich habe doch gar nichts zum Malen dabei.«
    Und Tabbi geht zum Picknickkorb und sagt: »Omi hat was ei n gepackt. Als Überraschung.«
    Misty nimmt einen Schluck Wein.
    Immer, wenn ein wohlmeinender Mensch dich zwingt, zu b e weisen, dass du kein Talent hast, und dir

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