Das Letzte Protokoll
unter die Nase reibt, dass dein großer Traum bloß eine Seifenblase ist, Misty Wilmots Trin k spiel.
»Tabbi und ich haben was vor«, sagt Grace.
Und Tabbi sagt: »Wir gehen zum Flohmarkt.«
Der Hühnersalat schmeckt komisch. Misty kaut und schluckt und sagt: »Das Sandwich schmeckt irgendwie seltsam.«
»Das ist frischer Koriander«, sagt Grace. Sie sagt: »Tabbi und ich suchen einen Servierteller, Durchmesser vierzig Zentimeter, Silber-Weizenmuster von Lenox.« Sie schließt die Augen, schü t telt den Kopf und sagt: »Warum braucht man Ersatzgeschirr immer erst dann, wenn die Serie nicht mehr produziert wird?«
Tabbi sagt: »Und Omi kauft mir ein Geburtstagsgeschenk. A l les, was ich will.«
Und Misty soll mit zwei Flaschen Rotwein und einer L a dung Hühnersalat allein auf der Landspitze bleiben. Ihre Öl-und Aquarellfarben und Pinsel und auch ihr Papier - nichts davon hat sie mehr angerührt, seit ihre Tochter ein Baby war. Acryl und Öl müssen längst hart geworden sein. Die Wasserfarben vertroc k net. Die Pinsel steif. Alles nicht mehr zu gebrauchen.
Einschließlich Misty.
Grace Wilmot streckt die Hand aus und sagt: »Komm, Tabbi. Gehen wir, deine Mutter soll den Nachmittag g e nießen.«
Tabbi nimmt die Hand ihrer Großmutter, und die beiden g e hen über die Wiese zurück zu dem Waldweg, wo sie den Wagen g e parkt haben.
Die Sonne scheint warm. Die Wiese ist so hoch gelegen, dass man die Wellen unten heranrauschen und sich an den Strandfe l sen br e chen sehen kann. Im Hintergrund sieht man die Stadt. Das Hotel Waytansea ist ein weißer Fleck. Fast erkennt man s o gar noch die kleinen Gaube n fenster im Dachgeschoss. Von hier aus wirkt die Insel freundlich und vollkommen, nicht hektisch und von Touristen überlaufen. Von Reklametafeln ve r schandelt. So muss die Insel ausgesehen haben, bevor hier die reichen Sommerleute eingefallen sind. Bevor Misty gekommen ist. Man versteht, warum Menschen, die hier zur Welt ko m men, niemals fortziehen. Man versteht, warum Peter das alles bewahren wol l te.
»Mama«, ruft Tabbi.
Sie lässt ihre Großmutter los und kommt noch einmal zurüc k gelaufen. Mit beiden Händen nestelt sie an ihrem rosa Swea t shirt. Keuchend erreicht sie Misty, die auf der Decke sitzt. Den filigr a nen goldenen Ohrring in der Hand, sagt sie lächelnd: »Halt still.«
Misty hält still. Wie eine Statue.
Und Tabbi bückt sich, hakt den Ohrring ins Ohrläppchen i h rer Mutter ein und sagt: »Das hätte ich fast vergessen, aber Omi hat mich daran erinnert. Sie sagt, das wirst du brauchen.« Ihre Jeans haben Erd-und Grasflecken an den Knien. Die stammen von vorhin, als Misty sie in Panik zu Boden geworfen hatte, als Misty sie hatte retten wollen.
Misty sagt: »Möchtest du ein Sandwich mitnehmen, Schatz?«
Und Tabbi schüttelt den Kopf und sagt: »Omi hat mir gesagt, ich soll die nicht essen.« Und schon läuft sie, mit erhobener Hand winkend, wieder davon, bis sie nicht mehr zu sehen ist.
14. Juli
Angel hält das Aquarellpapier mit spitzen Fingern an den Ecken hoch. Er mustert es, dann mustert er Misty und sagt: »Du hast e i nen Sessel gemalt?«
Misty zuckt die Achseln und sagt: »Ich bin seit Jahren aus der Übung. Es war das Erste, was mir eingefallen ist.«
Angel steht mit dem Rücken zu ihr, er hält das Bild in die So n ne und besieht es sich aus verschiedenen Winkeln. Er sagt: »Das ist gut. Das ist sehr gut. Woher kennst du diesen Sessel?«
»Den habe ich mir ausgedacht«, sagt Misty und erzählt ihm, sie sei den ganzen Tag nur mit ihren Farben und zwei Flaschen Wein allein draußen auf der Landspitze gewesen.
Angel blinzelt das Bild an, hält es so dicht an seine A u gen, dass er beinahe schielt und sagt: »Sieht aus wie ein Hershel Burke.« Angel sieht sie an und sagt: »Du hast den ganzen Tag auf einer Wiese gesessen und dir einen Neo-Renaissance-Sessel von Her s hel Burke ausgedacht?«
Am Vormittag hatte eine Frau aus Long Beach angerufen und gesagt, sie wolle ihr Wäschezimmer neu streichen lassen, und b e vor sie damit anfange, sollten sie sich mal ansehen, was Peter da angerichtet habe.
Jetzt stehen Misty und Angel in dem verschwundenen Wäsch e zimmer. Misty zeichnet die Fragmente von Peters Gekritzel ab. Angel soll die Wände fotografieren. Als Misty ihre Mappe au f klappte, um den Skizzenblock he r auszunehmen , bemerkte Angel das kleine Aquarell und fragte, ob er es mal sehen dürfe. Die Sonne scheint durch ein Milchglasfenster, und in dieses Licht hält A
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