Das letzte Revier
gleichzeitig deprimiert. Die Vergangenheit ist die Vergangenheit. Mitchell ist der Gouverneur. Als Nächstes wird er wahrscheinlich nach Washington gehen. Ich bin die Chefpathologin von Virginia, und er ist mein Boss. Gleich werde ich ihm mitteilen, dass ich meine Stellung werde aufgeben müssen.
»Ich glaube nicht, dass es in meinem Interesse oder im Interesse Virginias ist, wenn ich meine Position behalte.« Ich habe es ausgesprochen.
Er starrt mich nur an.
»Ich werde natürlich den formalen Weg einhalten und schriftlich kündigen. Aber mein Entschluss steht fest. Ich kündige zum ersten Januar. Ich werde selbstverständlich so lange bleiben, wie Sie mich brauchen. Bis Sie einen Ersat z gefunden haben.« Ich frage mich, ob er damit gerechnet hat. Vielleicht ist er erleichtert. Vielleicht ist er zornig.
»Sie sind nicht jemand, der leicht aufgibt, Kay«, sagt er. »Das sind Sie noch nie gewesen. Lassen Sie sich von Arschlöchern nicht gegen die Wand drängen, verdammt noch mal.«
»Ich werde nicht meinen Beruf aufgeben. Nur die Grenzen anders ziehen. Niemand drängt mich an die Wand.«
»O ja, die Grenzen«, sagt der Gouverneur, lehnt sich in die Polster zurück und sieht mich prüfend an. »Klingt, als wollten Sie zur Gegenseite überlaufen.«
»Kommen Sie.« Wir verachten beide Experten, die sich nicht für Gerechtigkeit einsetzen, sondern immer nur für die Seite, die am besten bezahlt.
»Sie wissen, was ich meine.« Er zündet seine Zigarre wieder an und starrt ins Leere, schmiedet bereits einen neuen Plan. Ich sehe, wie es in seinem Kopf arbeitet.
»Ich werde freiberuflich arbeiten«, sage ich. »Aber nicht aus Geldgründen. Meine erste Aufgabe wird mir keinen Pfennig einbringen, Mike. Der Fall. New York. Ich muss helfen, und es wird eine Menge Zeit kosten.«
»Na gut. Dann ist es ja kein Problem. Sie werden freiberuflich arbeiten, Kay, und Virginia wird ihr erster Auftraggeber sein. Wir heuern Sie als Chefpathologin an, bis wir eine bessere Lösung gefunden haben. Hoffentlich ist Ihr Honorar bezahlbar«, fügt er spaßhaft hinzu.
Damit habe ich nicht gerechnet. »Sie scheinen überrascht«, sagt er.
»Das bin ich.«
»Warum?«
»Das könnte Ihnen vielleicht Buford Righter erklären«, sage ich und merke, dass ich mich von neuem empöre. »In dieser Stadt wurden zwei Frauen auf grauenhafte Weise ermordet, un d ich finde es einfach nicht richtig, dass der Mörder jetzt in New York ist. Ich kann es nicht ändern, Mike, aber ich habe das Gefühl, es ist meine Schuld. Ich habe das Gefühl, dass ich unsere Fälle hier kompromittiert habe, weil Chandonne auch hinter mir her war. Ich komme mir vor, als wäre ich zu einer Belastung geworden.«
»Ah, Buford«, sagt Mitchell kühl. »Er ist in Ordnung, aber er ist ein lausiger Oberstaatsanwalt, Kay. Und ich glaube, in Anbetracht der Umstände ist es keine schlechte Idee, Chandonne New York zu überlassen.« In seinen Worten schwingt das Gewicht vieler Überlegungen mit. Keine geringe ist vermutlich die, wie die Europäer auf die Hinrichtung eines französischen Staatsbürgers in Virginia reagieren würden, und es ist bekannt, dass in Virginia jedes Jahr eine stattliche Anzahl von Menschen hingerichtet werden. Ich führe die Autopsien durch. Ich kenne die Statistik nur allzu gut. »Auch ich wüsste nicht genau, wie man mit diesem Fall umgehen sollte«, fügt Mitchell nach einer längeren Pause hinzu. Ich habe das Gefühl, als würde gleich der Himmel auf mich stürzen. Es knistert von Geheimnissen, aber es hat keinen Sinn, ihn zu drängen. Gouverneur Mitchell gibt keine Informationen preis, die er nicht preisgeben will. »Versuchen Sie, das alles nicht persönlich zu nehmen, Kay«, rät er mir. »Ich bin auf Ihrer Seite, und so wird es auch in Zukunft sein. Ich habe lange mit Ihnen zusammengearbeitet und kenne Sie.«
»Alle sagen mir, ich solle es nicht persönlich nehmen.« Ich lächle kurz. Das ominöse Gefühl wird stärker. Er wird auch in Zukunft auf meiner Seite sein. Als wollte er implizieren, dass es Gründe gibt, es nicht zu sein.
»Edith, die Kinder, meine Mitarbeiter, alle sagen mir das Gleiche«, fährt er fort. »Und trotzdem nehme ich die Dinge immer noch persönlich. Ich lasse es mir nur nicht anmerken.«
»Dann hatten Sie also nichts mit Berger zu tun - mit diesem doch recht bemerkenswerten Wechsel des Gerichtsorts?«, muss ich ihn fragen. Er streift Asche ab, rollt langsam die Zigarr e zwischen den Fingern, pafft, schindet Zeit. Er
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