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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ließ mich nicht. Er machte sich ständig Sorgen, was aus Dir und Lucy werden würde, sollte ihm etwas zustoßen. Er hat deswegen geweint. Ich war es, die ihm vorschlug, den Brief z u schreiben, den Senator Lord Dir vor ein paar Wochen überbrachte. Ich sagte zu Benton: »Stellen Sie sich vor, Sie wären tot und hätten zum letzten Mal die Chance, Kay etwas zu sagen.« Und er tat es. In den Worten, die Du in dem Brief gelesen hast.
    Während unserer Sitzungen meinte ich mehrmals, dass er vielleicht sehr genau wisse, wer ihn bedrohe, und dass er es verdränge, um der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Er zögerte. Ich erinnere mich sehr gut, dass ich das Gefühl hatte, er verfüge über Informationen, die er nicht mitteilen konnte oder wollte. Mittlerweile glaube ich, mehr zu wissen. Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass das, was Benton vor ein paar Jahren erlebte und was man jetzt mit Dir versucht, mit Marinos Sohn zusammenhängt. Rocky arbeitet für sehr mächtige Leute, und er hasst seinen Vater. Er hasst jeden, der seinem Vater nahe steht. Kann es ein Zufall sein, dass Benton Drohbriefe bekam und ermordet wurde und als Nächstes dieser schreckliche Mörder Chandonne in Richmond auftaucht und dass jetzt Marinos Sohn Chandonnes Anwalt ist? Hat diese qualvolle, lange Straße nicht ein einziges, schreckliches Ziel, nämlich alles Gute in Marinos Leben zu Fall zu bringen? Während unserer Sitzungen redete Benton wiederholt von einer DLR-Akte. Darin bewahrte er alle Drohbriefe und Notizen über Anrufe und andere Vorfälle auf. Ich fragte, wofür DLR stünde, und er antwortete Das letzte Revier. Ich fragte, was er damit meine, und seine Augen füllten sich mit Tränen, und er sagte wortwörtlich zu mir: »>Das letzte Revier< ist, wo ich enden werde, Anna. Dort werde ich enden.« Du kannst Dir nicht vorstellen, wie ich mich fühlte, als Lucy erwähnte, dass das auch der Name der Firma ist, für die sie jetzt in New York arbeiten will. Dass ich gestern Abend so durcheinander war, lag nicht nur an der Vorladung, die mir ins Haus geflattert war. Folgendes war passiert: Ich bekam die Vorladung und rief Lucy an, weil ich meinte, dass sie wissen sollte, was sie mit Dir vorhaben. Sie sagte, ihr neuer Boss (Teu n McGovern) sei in der Stadt, und nannte den Namen >Das letzte Revier<. Ich war schockiert. Ich bin es immer noch und frage mich, was das alles zu bedeuten hat. Weiß Lucy vielleicht von Bentons Akte?
    Kann auch das Zufall sein, Kay? Ist ihr zufälligerweise die gleiche Bezeichnung eingefallen, die Benton seiner Akte gab? Können all diese Zusammentreffen Zufall sein? Eine Organisation gibt sich den Namen >Das letzte Revier< und hat ihren Sitz in New York, Lucy zieht nach New York, der Prozess gegen Chandonne wird nach New York verlegt, weil er dort vor zwei Jahren gemordet hat, als Carrie Grethen noch in New York einsaß. Carries früherer Partner Temple Gault wurde (von Dir) in New York getötet, und Marino begann seine Polizeikarriere in New York. Und Rocky lebt in New York. Sei versichert, dass mir nichts ferner liegt, als Deine derzeitige Situation zu verschlimmern, und dass ich nichts aussagen werde, was verdreht werden könnte. Nie und nimmer. Dafür bin ich zu alt. Morgen, am ersten Weihnachtsfeiertag, werde ich in mein Haus in Hilton Head fahren, wo ich bleiben werde, bis ich getrost nach Richmond zurückkehren kann. Ich fahre aus mehreren Gründen. Ich will es Buford oder irgendjemand anders nicht leicht machen, an mich heranzukommen. Und was am wichtigsten ist, Du brauchst einen Ort, an dem Du bleiben kannst. Kehre nicht in Dein Haus zurück, Kay. Deine Dich liebende Freundin Anna.
    Ich lese den Brief wieder und wieder. Wenn ich mir vorstelle, wie Anna in der vergifteten Atmosphäre von Mauthausen aufwuchs und wusste, was dort passierte, wird mir ganz schlecht. Es tut mir unendlich Leid, dass sie ihr ganzes Leben lang abfällige Bemerkungen und gemeine Witze über Juden hat anhören müssen, immer wieder von Gräueln erfuhr, die Juden angetan wurden, und sich dabei immer bewusst war, dass auch sie Jüdin ist. Gleichgültig, wie sie es rechtfertigen mag: was ih r Vater tat, war feige und falsch. Vermutlich wusste er auch, dass Anna von dem SS-Kommandanten, mit dem er trank und aß, vergewaltigt wurde. Und auch dagegen schritt er nicht ein. Mitnichten. Ich stelle fest, dass es fast fünf Uhr ist. Meine Lider sind schwer, meine Nerven flattern. Es hat keinen Sinn, dass ich versuche zu schlafen. Ich stehe

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