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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ich mir in meinen wildesten Augenblicken vorgestellt habe. Jacks Stimme klingt weit entfernt in statischem Rauschen, das wie eine Projektion des Chaos in meinem Kopf wirkt. Ich bekomme mit, dass Berger sich sehr cool verhalten und geklungen hat, als riefe sie aus einem Auto an, und dann sagt Jack irgendwas über Sonderermittler. »Ich dachte, sie werden nur für Präsidenten oder in Fällen wie Waco eingesetzt«, sagt er, als die Verbindung plötzlich wieder besser wird, dann schreit er jemandem - seiner Ex-Frau vermutlich - zu: »Kannst du sie ins andere Zimmer bringen? Ich bin am Telefon! Himmel«, wendet er sich wieder an mich, »schaffen Sie sich nie Kinder an.«
    »Was soll das heißen, Sonderermittler?«, frage ich. »Was für ein Sonderermittler?«
    Jack zögert. »Ich vermute, dass sie kommen soll, um die Anklage zu vertreten, weil Fighter-Righter es nicht machen will«, sagt er, plötzlich nervös. Ja, er klingt ausweichend.
    »Wie's aussieht, gab es einen Fall in New York.« Ich bin vorsichtig mit dem, was ich sage. »Deswegen wurde sie eingeschaltet, das hat man mir zumindest erzählt.«
    »Sie meinen, einen Fall wie unsere?«
    »Vor zwei Jahren.«
    »Wirklich? Ist mir neu. Okay. Sie hat nichts davon gesagt. Wollte nur etwas über unsere Fälle hier in Erfahrung bringen«, sagt Jack. »Wie viele wurden für morgen eingeliefert?«, erkundige ich mich nach unserem Arbeitspensum.
    »Fünf bislang. Darunter ein merkwürdiger Fall, der uns noch Nerven kosten wird. Ein junger Weißer - möglicherweise Latino -, der in einem Motelzimmer gefunden wurde. Sieht aus, al s wäre das Zimmer ausgebrannt. Keine Papiere. In seinem Arm steckte eine Spritze, deswegen wissen wir nicht, ob er an einer Überdosis starb oder an Rauchvergiftung.«
    »Wir sollten nicht über Handy darüber reden«, unterbreche ich ihn und sehe mich um. »Wir sprechen morgen. Ich werde mich um ihn kümmern.«
    Nach einer langen, erstaunten Pause folgt: »Sind Sie sicher? Ich dachte -«
    »Ich bin sicher, Jack.« Die ganze Woche bin ich noch nicht im Büro gewesen. »Bis morgen.«
    Ich soll Lucy um halb acht vor Waldenbooks treffen und stürze mich wieder in die wogende Menschenmenge. Kaum habe ich mich zu unserem vereinbarten Treffpunkt durchgekämpft, sehe ich eine vertraute, große, miesepetrige Gestalt die Rolltreppe herauffahren. Marino beißt in eine weiche Brezel und leckt sich die Finger, während er das junge Mädchen anstarrt, das vor ihm steht. Hautenge Jeans und Pullover machen kein Geheimnis aus ihren Kurven, Ein- und Ausbuchtungen, und selbst von hier aus kann ich sehen, dass Marino diese Kurven betrachtet und sich vorstellt, wie es wäre, sie zu befahren. Ich beobachte, wie er die volle Stahlstufe emporgetragen wird, mit offenem Mund seine Brezel kaut und nach dem Mädchen lechzt. Eine verwaschene sackartige Jeans hängt unter seinem geschwollenen Bauch, und seine riesigen Hände sehen aus wie Baseballhandschuhe, die aus den Ärmeln seiner roten Windjacke herausragen. Auf dem kahl werdenden Kopf trägt er eine Baseballkappe, auf seiner Nase sitzt eine lächerlich große Nickelbrille. Sein feistes Gesicht ist von Runzeln der Unzufriedenheit durchzogen und gerötet von chronischer Ausschweifung. Ich erschrecke darüber, wie unglücklich er in seinem eigenen Körper wirkt, wie sehr er Krieg gegen sein eigenes Fleisch führt, das ihn mittlerweile endgültig im Stich gelassen hat. Marino erinnert mich an jemanden, der sich ein neues Auto gekauft, es voll ausgefahren, rosten und verkomme n lassen hat und es jetzt inbrünstig hasst. Ich sehe ihn vor mir, wie er die Motorhaube zuknallt und gege n die Reifen tritt. Wir bearbeiteten unseren ersten Fall gemeinsam, kurz nachdem ich von Miami hierher gezogen war, und er war von Anfang an griesgrämig, herablassend und absichtlich ungehobelt. Ich war überzeugt, den größten Fehler meines Lebens begangen zu haben, als ich die Leitung der Gerichtsmedizin in Virginia übernahm. In Miami hatte ich mir den Respekt der Polizei, der Mediziner und Wissenschaftler erworben. Die Medien behandelten mich einigermaßen fair, und ich war mir meiner sicher und selbstbewus st. Mein Geschlecht schien keine Rolle zu spielen, bis ich Peter Rocco Marino kennen lernte, Abkömmling einer hart arbeitenden Familie aus New Jersey, ehemaliger New Yorker Polizist, geschieden von seiner Jugendfreundin und Vater eines Sohnes, über den er nie spricht.
    Er ist wie das harte Licht in Umkleidekabinen. Ich fühlte mich wohl in

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