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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Escudero aus meiner Abteilung - er ist der Kameramann. Und Spezialagent Jay Talley vom ATF.«
    Ich spüre Bergers Augen auf mir, sehe sie jedoch nicht an. Ich widerstehe dem Drang, sie zu unterbrechen und zu fragen: Warum? Warum war Jay dabei? Mir geht durch den Sinn, dass sie haargenau der Typ Frau ist, den er attraktiv findet - höchst attraktiv. Ich nehme ein Taschentuch aus meiner Jackentasche und wische mir den kalten Schweiß von der Stirn.
    »Sie wissen, dass unser Gespräch aufgezeichnet wird, nich t wahr, und haben nichts dagegen«, sagt Berger auf dem Band. »Ja.« Chandonne zieht an seiner Zigarette und entfernt ein Tabakbrösel von seiner Zungenspitze.
    »Sir, ich werde Ihnen ein paar Fragen zum Tod von Susan Pless am 5. Dezember 1997 stellen.«
    Chandonne zeigt keinerlei Reaktion. Er greift nach seiner Pepsi, findet mit den ungleichmäßigen rosa Lippen den Strohhalm, während Berger ihm die Adresse des Opfers in New Yorks Upper East Side nennt. Sie erklärt ihm, dass sie erst anfangen können, nachdem sie ihn über seine Rechte aufgeklärt hat, obwohl das schon weiß Gott wie viele Male geschehen ist. Chandonne hört ihr aufmerksam zu. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber er scheint die Sache zu genießen. Er scheint keine Schmerzen zu haben oder auch nur im Entferntesten eingeschüchtert zu sein. Er verhält sich ruhig und höflich, seine haarigen, schrecklichen Hände liegen auf der Tischplatte oder berühren seine Bandagen, als wollte er uns daran erinnern, was wir - was ich - ihm angetan haben. »Alles, was Sie sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden«, fährt Berger fort. »Haben Sie das verstanden? Und es wäre sehr hilfreich, wenn Sie ja oder nein sagen würden, statt zu nicken.«
    »Ich habe es verstanden.« Er kooperiert nahezu rührend. »Sie haben das Recht, sich mit einem Anwalt zu beraten, bevor Sie meine Fragen beantworten, oder darauf zu bestehen, dass ein Anwalt während der Befragung anwesend ist. Haben Sie das verstanden?«
    »Ja.«
    »Wenn Sie keinen Anwalt haben oder sich keinen leisten können, wird Ihnen ein Anwalt kostenlos zur Verfügung gestellt. Haben Sie das verstanden?«
    Daraufhin greift Chandonne wieder zu seiner Pepsi. Berger fährt damit fort, ihm und aller Welt darzulegen, dass ihr Vorgehen legal und fair ist, dass Chandonne vollständi g informiert ist und aus freiem Willen mit ihr spricht, ohne dass Druck ausgeübt wurde. »Sie kennen jetzt Ihre Rechte«, beschließt sie ihre energische, selbstsichere Eröffnung. »Werden Sie die Wahrheit sagen?«
    »Ich sage immer die Wahrheit«, erwidert Chandonne leise. »Sie wurden in Anwesenheit von Officer Escudero, Captain Marino und Spezialagent Talley über Ihre Rechte aufgeklärt, und Sie haben sie verstanden?«
    »Ja.«
    »Dann erzählen Sie mir doch in Ihren eigenen Worten, was mit Susan Pless passiert ist?«, sagt Berger.
    »Sie war sehr nett«, antwortet Chandonne zu meinem Erstaunen. »Es macht mich immer noch ganz krank.«
    »Ja, das glaub ich dir«, murmelt Marino sarkastisch. Berger hält augenblicklich das Video an. »Captain«, fährt sie ihn an, »keine persönlichen Äußerungen. Bitte.« Marinos Verdrossenheit ist wie giftige Dämpfe. Berger drückt auf die Fernbedienung, auf dem Band fragt sie Chandonne, wie er und Susan Pless Bekanntschaft schlossen. Er antwortet, dass sie sich in einem Restaurant namens Lumi in der Siebzigsten Straße zwischen Dritter und Lexington Avenue kennen lernten. »Was taten Sie dort? Haben Sie dort gegessen oder gearbeitet?«, drängt ihn Berger weiter.
    »Ich habe dort allein gegessen. Sie kam herein, ebenfalls allein. Ich trank eine Flasche sehr guten italienischen Weins. Einen Massolino Barolo, Jahrgang 93. - Sie war sehr schön.« Barolo ist mein Lieblingswein. Die Flasche, von der er spricht, ist teuer. Chandonne fährt mit seiner Geschichte fort. Er aß ein Antipasto - »Crostini di polenta con funghi trifolati e olio tartufo«, sagt er in perfektem Italienisch -, als er sah, dass eine umwerfende Afroamerikanerin allein das Restaurant betrat. Der Oberkellner behandelte sie, als ob es sich um eine wichtige Person und einen Stammgast handelte, und setzte sie an eine n Tisch in der Ecke. »Sie war gut angezogen«, sagt Chandonne. »Sie war ganz offensichtlich keine Prostituierte.« Er bat den Oberkellner, sie zu fragen, ob sie sich an seinen Tisch setzen wollte, und sie war sehr unkompliziert.
    »Was meinen Sie damit, sehr unkompliziert?«, hakt Berger nach.

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