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Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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sie sich vor und fügte dann hinzu: »Mein Mann und ich waren Haralds Vermieter.«
    Dóra nannte ihren Namen und entgegnete Guðrúns Lächeln. »Wir wollten uns nur mal kurz umschauen. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«
    »Oh, kein Problem«, sagte die Frau schnell. »Ich bin nur rausgekommen, um zu fragen, ob es irgendwelche Neuigkeiten gibt, wann die Wohnung geräumt wird.« Sie lächelte wieder, jetzt entschuldigend. »Wir haben ein paar Anfragen, Sie verstehen.«
    Dóra verstand das eigentlich nicht, denn soweit sie informiert war, zahlten die Guntliebs immer noch die Miete, und es musste ein Glücksfall sein, eine Wohnung zu diesem Preis zu vermieten, ohne irgendwelchen Ärger mit einem Mieter zu haben. Sie wendete sich Matthias zu, der die Frage der Frau möglicherweise beantworten konnte.
    »Das wird leider noch dauern«, antwortete er kurz angebunden. »Der Mietvertrag besteht ja weiter, wenn ich Sie bei unserem letzten Gespräch richtig verstanden habe.«
    Die Frau entschuldigte sich eilig. »Doch, doch – verstehen Sie mich bitte nicht falsch – das tut er. Wir würden nur gern wissen, wann die Guntliebs ihn voraussichtlich kündigen werden. Es handelt sich um eine teure Wohnung und es ist nicht so leicht, einen solventen Mieter zu finden.« Die Frau schaute Dóra Hilfe suchend an. »Wir haben nämlich ein Angebot von einer dieser internationalen Firmen, das wir nicht ausschlagen möchten. Sie brauchen die Wohnung für zwei Monate, deshalb möchten wir wissen, was Sie vorhaben. Sie verstehen bestimmt, was ich meine.«
    Matthias nickte. »Ich verstehe ihr Problem, aber ich kann Ihnen im Moment leider nichts versprechen«, sagte er. »Es hängt alles davon ab, wie schnell wir Haralds Sachen durchsehen können. Ich möchte sichergehen, dass nichts in Kisten verpackt wird, was von Bedeutung sein könnte.«
    Die Frau, die nun vor Kälte bibberte, nickte eifrig. »Wenn ich etwas tun kann, um die Sache voranzutreiben, lassen Sie es mich bitte wissen.« Sie reichte ihnen die Visitenkarte einer Importfirma, die Dóra nicht kannte. Darauf standen der Name der Frau sowie mehrere Telefonnummern, darunter auch eine Handynummer.
    Dóra fischte ihre eigene Karte aus ihrem Portemonnaie und reichte sie der Frau. »Nehmen Sie auch meine. Sie oder Ihr Mann können mich anrufen, wenn Ihnen etwas einfällt, das uns vielleicht weiterhelfen könnte. Wir versuchen, Haralds Mörder ausfindig zu machen.«
    Die Frau riss die Augen auf. »Was ist denn mit dem Mann, den die Polizei festgenommen hat?«
    »Wir haben unsere Zweifel daran, dass er der Mörder ist.«
    Dóra merkte, wie die Frau bei dieser Neuigkeit erschrak. Deshalb fügte sie schnell hinzu: »Ich glaube, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen – wer auch immer es ist, er wird wohl kaum hierher kommen.« Sie lächelte.
    »Nein, darum geht es nicht«, winkte die Frau ab. »Ich dachte nur, der Fall sei abgeschlossen.«
    Sie verabschiedeten sich voneinander, und Dóra und Matthias betraten das warme Haus. Im Flur führte eine weiß gestrichene Treppe zur Wohnung in der oberen Etage. Es gab noch eine weitere Tür, die laut Matthias zur gemeinsamen Waschküche führte. Sie stiegen die Treppe hinauf und auf dem Treppenabsatz nahm Matthias den Schlüsselbund mit dem Souveniranhänger und schloss die Wohnung auf.
    Das Erste, was Dóra auffiel, als sie über die Türschwelle trat, war, dass Matthias stark untertrieben hatte, als er die Wohnung als »sehr gewöhnlich« bezeichnet hatte. Verwundert schaute sie sich um.

8. KAPITEL
    Gunnar Gestvík, Leiter der Historischen Fakultät der Universität Islands, ging mit energischen Schritten durch den Gang zum Büro der Direktorin des Árni-Magnússon-Instituts, wobei er abwesend einem jungen Historiker zunickte, der ihm unterwegs begegnete. Der junge Mann lächelte mitfühlend, und Gunnar wurde schon wieder an seine neu gewonnene Berühmtheit in der Universität und den einzelnen Instituten erinnert. Kaum jemand schien vergessen zu haben, dass er derjenige war, dem die Leiche von Harald Guntlieb in die Arme gefallen war, geschweige denn seinen darauf folgenden Nervenzusammenbruch. Man konnte sagen, dass er noch nie so große Beliebtheit genossen hatte. Die wenigsten, die jetzt einen Umweg in Kauf nahmen, um sich mit ihm zu unterhalten, zählten zu seinen Freunden. Dieser Zustand würde natürlich vorübergehen, aber er hatte es weiß Gott satt, die dummen Fragen der Leute zu beantworten und ihre Neugier zu befriedigen. Er

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