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Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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gehörte – das Geschlecht wurde nicht genau bestimmt, aber wahrscheinlich handelte es sich um einen Mann. Das Gewebe des Fingers war abgestorben.«
    »Und die Polizei wurde nicht darüber informiert?«, fragte Dóra entsetzt.
    Gunnar wurde rot. »Ich wünschte, ich könnte Ihre Frage bejahen, aber nachdem wir den Finger in unserem Gebäude gefunden hatten und seiner Herkunft auf eigene Faust nachgegangen waren, hielten wir es für unangemessen, den Fund bekannt zu geben. Es war schon so viel Zeit vergangen, verstehen Sie. Außerdem waren Semesterferien und so weiter.«
    Dóra fand die Semesterferien in diesem Zusammenhang eher unbedeutend. Man konnte wahrscheinlich froh sein, dass sich beim Fund von Haralds Leiche niemand im Mutterschaftsurlaub befunden hatte. Und die Historische Fakultät nicht beschlossen hatte, den Mordfall selbst zu untersuchen. »Aha.«
    »Was haben Sie denn dann mit dem Finger gemacht?«, fragte Matthias.
    »Ähm, wir, äh, haben ihn weggeschmissen«, nuschelte Gunnar. Die Röte stieg ihm die Wangen hinauf bis in die Haarwurzeln. »Das hatte mit Sicherheit nichts mit dem Mord zu tun. Es gibt überhaupt keinen Grund, diesen peinlichen Vorfall der Polizei zu melden. Die haben andere Sorgen.«
    »Aha«, wiederholte Dóra. Finger, Augen, abgeschnittene Ohren – was kam als Nächstes?

18. KAPITEL
    Dóra reckte sich und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie hatte gerade das letzte Kabel in den Computer gesteckt. Sie war mit Matthias in Haralds Arbeitszimmer gegangen, nachdem sie den unergründlichen Gunnar Gestvík verabschiedet hatten. »Ich muss gestehen, Ihre Theorie über den unbekannten Mörder kommt mir immer abwegiger vor.« Dóra schaltete den Computer ein und sogleich erklang ein summender Ton, der die Bereitschaft des Geräts signalisierte. »Zum Beispiel das Blut auf Hugis Kleidung; wie passt das in Ihre Theorie?« Da Matthias nicht reagierte, redete sie weiter. »Und das mit den Aufsätzen vorhin – ich sehe wirklich keinen Zusammenhang zwischen dem Mord und der Abschlussarbeit, zumal sich Harald bei seinen Quellenstudien offensichtlich verzettelt hat.«
    »Ich bin mir meiner Sache sicher«, sagte Matthias, ohne Dóra direkt ins Gesicht zu schauen.
    Etwas an seinem Verhalten irritierte sie. Es sah ihm nicht ähnlich, ihrem Blick auszuweichen. Außerdem starrte er auf das Display seines Handys, als hoffte er, jemand möge ihn anrufen und von dieser Unterredung erlösen. Dóra verschränkte die Arme und kniff die Augen zusammen. »Sie verheimlichen mir etwas.«
    Matthias starrte immer noch erwartungsvoll sein Handy an. »Tja, ich will ja auch hoffen, dass ich noch nicht all meine Geheimnisse preisgegeben habe, wo wir uns erst so kurz kennen«, sagte er mit gespielter Heiterkeit in der Stimme.
    »Blödsinn. Sie wissen genau, was ich meine. Es gibt noch andere Gründe als das verschwundene Geld und die Augen. Im Grunde hat sich noch nichts getan – außer einer E-Mail, die eigentlich nichts besagt, und jetzt ein Finger in der Uni, der die Professoren so durcheinandergebracht hat, dass sie ihn in völliger Panik weggeworfen haben.«
    Matthias steckte das Handy in seine Tasche. »Angenommen, ich verheimliche Ihnen etwas – wenn ich Ihnen verspreche, dass Hugi nicht der Mörder oder zumindest nicht der alleinige Mörder sein kann, glauben Sie mir das?«
    Dóra lachte laut auf. »Nein. Eigentlich nicht.«
    Matthias erhob sich. »Schade. Ehrlich gesagt, ich kann Entscheidungen über bestimmte Hintergrundinformationen nicht allein treffen«, erklärte er und fügte dann rasch hinzu: »Das heißt, falls weitere Informationen existieren.«
    »Angenommen, es wäre so – und angenommen, derjenige, der in der Lage ist, diese Entscheidung zu treffen, würde mich einbeziehen wollen – wäre es dann nicht vielleicht sinnvoll, ihn einfach mal zu fragen?«
    Matthias schaute Dóra nachdenklich an und verließ dann das Zimmer. Dóra sah, dass er schon wieder sein Handy in der Hand hielt. Hoffentlich war er hinausgegangen, um zu telefonieren. Sie spitzte die Ohren und hörte eine undeutliche Stimme aus dem Flur. Dóra gab das Lauschen auf und wendete sich stattdessen dem Computer zu. Ein kleiner, grauer Kasten in der Bildschirmmitte forderte sie auf, ein Passwort einzugeben. Dóra musste raten: Harald, Malleus, Windows, Hexen und so weiter. Nichts funktionierte. Sie lehnte sich zurück und schaute sich in der Hoffnung auf irgendeine Eingebung im Zimmer um. Dann griff sie nach einem gerahmten Foto,

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