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Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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Interesse, das ihn schon seit jungen Jahren begleitet, finde ich es fragwürdig, dass er auf einmal von der Reformation fasziniert gewesen sein soll.«
    »Harald war katholisch, wie Ihnen zweifellos bekannt ist«, erklärte Gunnar. Dóra und Matthias nickten artig. »Ihn faszinierte nicht zuletzt die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Bevölkerung hier im Land um 1550 nach der Einführung des Luthertums, vor allem bei den Ärmsten. Die katholische Kirche hatte all ihre Besitztümer im Land gehalten, aber mit der Reformation gingen die Ländereien der Kirche an den dänischen König über und das Land verarmte. Zudem hatte die katholische Kirche Almosen an die Ärmsten verteilt. Nach der Aufnahme des Luthertums wurden sie gestrichen. Harald fand das bemerkenswert, da die katholische Kirche selten in einem solchem Licht gesehen wird. Es hat ihn auch geradezu völlig begeistert, dass es katholischen Geistlichen und Bischöfen in Island gestattet war, Gefährtinnen und Kinder zu haben – was in anderen katholischen Bischofssitzen in Europa bis heute nicht geduldet wird.«
    Matthias wirkte nicht überzeugt. »Hm, vielleicht. Ist es möglich, dass die Treffen mit diesem þórbjörn nicht besonders effektiv waren? Harald forschte nach etwas, wovon þórbjörn und vermutlich auch Sie gar nichts wussten?«
    »Darüber weiß ich nichts, wie gesagt«, antwortete Gunnar. »Ich hatte damals zumindest nicht den Eindruck. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Selbstverständlich konnte er alle möglichen Dinge ohne mein Wissen bearbeiten; Studenten im Masterstudiengang arbeiten ja sehr eigenständig. Ich empfehle Ihnen allerdings, mit þórbjörn zu sprechen, wenn Sie Näheres darüber in Erfahrung bringen möchten. Ich kann an einem Treffen teilnehmen, wenn Sie wollen.«
    Matthias warf Dóra einen Blick zu. Sie nickte zustimmend. »Ja, danke, das nehmen wir gern an«, sagte Matthias. »Wenn Sie wissen, wann þórbjörn Zeit hat, rufen Sie mich bitte an. Auch, wenn Ihnen selbst etwas einfällt, das wichtig für uns sein könnte.« Er überreichte Gunnar seine Visitenkarte.
    Dóra angelte ebenfalls eine Karte aus ihrer Handtasche und gab sie Gunnar. »Wir kümmern uns darum, ob sich der Brief, den Sie suchen, unter den Dokumenten befindet.«
    »Das wäre mir sehr wichtig – die Sache ist ziemlich unangenehm für die Universität und ich würde den Brief ungern als verschwunden deklarieren. Leider habe ich keine Visitenkarte dabei, aber Sie erreichen mich meistens unter meiner direkten Durchwahl im Büro.« Er erhob sich.
    »Was Haralds Kommilitonen anbelangt«, sagte Matthias, »können Sie uns mit ihnen zusammenbringen? Wir würden gern mit den Personen sprechen, die ihn am besten kannten. Wir haben heute Morgen versucht, einige von ihnen zu kontaktieren, aber sie wollten nicht mit uns reden.«
    »Sie meinen bestimmt die jungen Leute, die mit ihm in diesem Verein waren«, entgegnete Gunnar. »Ja, das sollte möglich sein. Der Verein nutzt einen Raum in der Universität, daher begegne ich ihnen ab und zu. Ich hatte eigentlich gehofft, der Verein würde nach Haralds Tod aufgelöst. Er macht der Universität meiner Meinung nach keine große Ehre. Allerdings habe ich nicht das alleinige Sagen und kann an diesem Entschluss bedauerlicherweise nichts ändern. Ich kann ein Treffen mit den beiden Studenten meiner Fakultät, die in dem Verein sind, arrangieren.«
    »Dafür wären wir Ihnen sehr dankbar.« Dóra lächelte ihm zu. »Warum halten Sie den Verein für untragbar?«
    Gunnar schien über eine Antwort nachzugrübeln. »Vor ungefähr einem halben Jahr ist … etwas passiert. Ich war und bin davon überzeugt, dass dieser Verein damit zu tun hatte, konnte es aber nie beweisen. Leider.«
    »Was ist geschehen?«, fragte Matthias.
    »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt darüber reden sollte«, sagte Gunnar, der seine Offenheit schon wieder bedauerte. »Es wurde damals totgeschwiegen und drang nicht an die Öffentlichkeit.«
    »Was?«, fragten Matthias und Dóra gleichzeitig.
    Gunnar wand sich unschlüssig. »Wir haben einen Finger gefunden.«
    »Einen Finger?« Wieder kam die Frage von beiden gleichzeitig, diesmal mit einem sehr erstaunten Tonfall.
    »Ja, eine der Putzfrauen hat einen Finger vor dem Vereinsraum gefunden. Ich habe immer noch den Schrei der armen Frau im Ohr. Der Finger wurde zur Untersuchung ins Pathologische Institut der Universität geschickt und es stellte sich heraus, dass er einer älteren Person

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