Das letzte Sakrament
nickte, eine Träne lief über seine Wange. Er schien endlich zu begreifen, dass er mit diesem Auftrag das Todesurteil für seinen Bruder unterschrieben hatte.
»Warum haben die Männer im Verborgenen gearbeitet?«, fragte Pandera.
»Wenn man weiß, wo der Wächter ist, umgeht man ihn«, antwortete der Bischof. »Wir glauben zwar an das Gute, aber wir wissen auch um die Wege und die Kraft des Bösen.«
»Sie wussten, dass der Mord an Ihrem Bruder mit dem Jesusklon zusammenhängt«, sagte Pandera. »Warum haben Sie mich angelogen?«
»Herr Kommissar, lassen Sie mich eine Gegenfrage stellen.« Der Bischof sah Pandera direkt in die Augen. »Wie glaubwürdig wären wir gewesen, hätten wir Ihnen von dem Jesusklon erzählt?«
»Sie lösen das Problem nicht, indem Sie uns Informationen vorenthalten.«
»Sie müssen unsere Lage verstehen.« Der Bischof rieb sich über die Stirn. »Bis gestern haben wir immer noch die Hoffnung gehegt, dass mein Bruder sich getäuscht hat.«
Nur mit Mühe hielt der Bischof die Tränen zurück. Pandera glaubte, echte Reue bei ihm zu spüren. »Was wusste Ihr Bruder?«
»Er hat herausgefunden, dass eine Probe der beiden Grabtücher das Labor verlassen hat«, sagte Obrist.
»Und er hat das nicht verhindert?«
»Er konnte es erst zwei Jahre nach den Untersuchungen beweisen«, antwortete Kunen, noch bevor der Bischof etwas sagen konnte. Der Vikar verzog dabei das Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen.
Es war offensichtlich, dass Kunen dem Ermordeten nie dasselbe Vertrauen entgegengebracht hatte wie der Bischof.
»Wussten Sie, dass Doktor Leuenberger die Proben gekauft hat?«, fragte Pandera.
Obrist schüttelte den Kopf. »Leuenberger war sicher nur ein Mittelsmann. Mein Bruder hat von einer Gruppe in Rom gesprochen, die Proben des Grabtuchs für ein geheimes Projekt kaufen wollte.«
»Glauben Sie, Professor Wismut gehört zu dieser Gruppe?«, fragte Pandera.
»Angeblich hat die Gruppe einen christlichen Hintergrund«, sagte Obrist. »Wismut dagegen ist ein Ungläubiger!«
»Offensichtlich hat Wismut Proben des Grabtuchs gekauft und daraus Jesus geklont …«
»Nein!«, widersprach Kunen. »Der Mann ist ein Betrüger. Er hat Jesus nicht geklont!«
»Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Pandera.
Johann Obrist schwieg und krallte die Finger um den Rosenkranz. Simon Kunen sah zu Boden.
»Was wissen Sie noch von dieser christlichen Gruppe in Rom und deren Geheimprojekt?« Pandera sah den Bischof an.
»Nicht viel«, antwortete Obrist. »Mein Bruder meinte, sie operiere unter dem Namen Sacramentum .«
Sacramentum! Die verschwundenen Ordner vom Tatort. Endlich fügte sich etwas zusammen. »Was bedeutet dieser Deckname?«
»Angeblich dient die Gruppe einem sogenannten letzten Sakrament . Vermutlich stammt daher der Name.«
»Und was ist das letzte Sakrament?«
»Der Begriff ist auch uns ein Rätsel«, antwortete Kunen. »Denn es gibt in der katholischen Lehre kein letztes Sakrament.«
»Und wenn ich herausgefunden habe, was es damit auf sich hat, fällt es Ihnen plötzlich doch ein?«, fragte Pandera.
»Das ist eine Unverschämtheit!«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen«, sagte Pandera. »Auf alle Fälle erwarte ich von Ihnen und Ihrem Orden von jetzt an uneingeschränkte Kooperation. Falls Sie oder jemand aus Ihrer Gemeinschaft die Ermittlungen weiterhin behindern, sehen wir uns gezwungen, dieses Gebäude zu durchsuchen.«
»Sie drohen uns?« Der Vikar schnellte von seinem Stuhl hoch. Auch Pandera stand auf. Kunen war ein Stück größer und muskulöser als er, und obwohl Pandera durchaus athletisch war, wirkte er gegen ihn fast wie ein Strich.
»Der Kommissar hat nur auf etwas Selbstverständliches hingewiesen«, sagte der Bischof und blickte Kunen eindringlich an. »Wir werden in vollem Umfang kooperieren.«
»Das will ich auch hoffen«, entgegnete Pandera und verabschiedete sich. Er dachte an Tamara Aerni. Die Kollegin würde demnächst den Seelsorger im Berner Inselspital verhören, auch ein Jesuit. Er würde also bald erfahren, was von dem Versprechen des Bischofs zu halten war.
35
Roger Simovic erwachte. Er konnte immer noch nicht glauben, was der Blonde bei seinem letzten Besuch gesagt hatte. Wir wissen von dem Mord an unserem Bruder in Basel. Woher, verdammt noch mal, sollte jemand im Vatikan etwas davon wissen? Es gab doch überhaupt keinen Beweis, der ihn mit diesem Mord in Verbindung brachte! Sie hatten nichts gegen ihn in der Hand!
Sollte das etwa der
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