Das letzte Theorem
hatte, sich auf diesem Gebiet Kenntnisse anzueignen und erst recht keine Neigung verspürte, Ranjit bei seinen Bemühungen zu unterstützten, in eigener Regie etwas über Zahlentheorie zu lernen.
Eine Zeit lang begnügte sich Ranjit mit Büchern zu diesem Thema, die er in der Universitätsbibliothek fand, aber diese spezielle Lektüre war begrenzt. Nachdem er damit durch war, hätte er gern ein paar - möglichst alle - Zeitschriften über Zahlentheorie gelesen, zum Beispiel das Journal of Number Theory , das von der Ohio State University in den USA herausgegeben wurde, oder das Journal de Théorie des Nombres de Bordeaux , wobei ihm seine hart erkämpften rudimentären Französischkenntnisse endlich doch einmal von Nutzen gewesen wären. Aber die Universitätsbibliothek abonnierte keine dieser Zeitschriften, und Ranjit selbst konnte sich keinen Zugriff darauf verschaffen. Dr. Dabare hingegen hätte ihm in diesem Punkt behilflich sein können, einfach indem er ihm gestattete, sein persönliches Passwort für Universitätsdozenten zu benutzen. Doch er weigerte sich.
Als sich das Jahr dem Ende näherte, brauchte Ranjit dringend einen Freund, um seinen Frustrationen Luft zu machen. Aber nicht einmal den hatte er.
Es traf ihn schon schwer genug, dass Gamini bald neuntausend Kilometer weit weg sein würden. Doch zu allem Überfluss konnten die beiden Jungen nicht einmal die letzten Wochen zusammen sein. Wie sich herausstellte, musste Gamini familiären Verpflichtungen nachkommen, die absoluten Vorrang hatten. Als Erstes reiste er für ein Wochenende nach Kandy, der »schönsten Stadt im Land«, die einmal die Hauptstadt
der Insel gewesen war. Ein Zweig von Gaminis Sippe hatte eisern in dem ehemaligen Familiensitz ausgeharrt, ehe der »große Magnet«, die hektische, betriebsame Metropole Colombo, die Intellektuellen, die Einflussreichen und auch Menschen, die lediglich von Ehrgeiz getrieben waren, in dieses moderne Zentrum der Macht gelockt hatte. Ein weiteres Wochenende verbrachte er in Ratnapura, wo ein Cousin die Interessen der Familie an den Edelsteinminen vertrat; dann wieder besuchte er seine alte Großmutter, der die Leitung der familieneigenen Zimtplantagen oblag. Und selbst wenn Gamini in der Stadt war, musste er Pflichtbesuche abstatten, zu denen er Ranjit auf gar keinen Fall mitnehmen konnte.
Derweil hatte Ranjit nichts zu tun … außer den langweiligen Unterricht in Fächern über sich ergehen zu lassen, für die er nicht das geringste Interesse aufbrachte. Und dann tauchten die nächsten Probleme auf.
Es passierte am Ende des Soziologieunterrichts, für den Ranjit sich noch nie hatte erwärmen können. Der Dozent, den er noch weniger leiden konnte, war ein Dr. Mendis; als Ranjit sich anschickte, den Raum zu verlassen, fing Mendis ihn an der Tür ab, in der Hand das schwarz eingebundene Notizbuch, in das er die Zensuren eintrug. »Ich habe mir gerade die Noten der Prüfung von letzter Woche angesehen«, sprach er Ranjit an. »Ihre waren unbefriedigend.«
Das überraschte Ranjit nicht. »Das tut mir leid, Sir«, erwiderte er zerstreut und peilte seinen davoneilenden Kommilitonen hinterher. »Demnächst werde ich mich mehr anstrengen«, fügte er hinzu und wollte den anderen Studenten folgen.
Aber Dr. Mendis war mit ihm noch nicht fertig. »Bestimmt erinnern Sie sich, dass ich der Klasse zu Beginn des Studienjahres erklärt habe, wie Ihre Abschlussnote berechnet wird. Berücksichtigt werden die Ergebnisse der Zwischenprüfung, die Resultate der Tests, die von Zeit zu Zeit stattfinden, Anwesenheit sowie aktive Beteiligung am Unterricht und die Abschlussklausur.
Das Ganze in den Proportionen 25 Prozent, 20 Prozent, 25 Prozent und 30 Prozent. Obwohl Sie bei der Zwischenprüfung gar nicht mal so schlecht abgeschnitten haben, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Leistungen im Unterricht und bei den sporadischen Tests so tief unterhalb jedes akzeptablen Standards liegen, dass Sie in der Klausur mindestens 80 Prozent der möglichen Punkte erreichen müssen, damit Sie für den Kurs wenigstens die Note C minus bekommen. Offen gesagt, glaube ich nicht, dass Sie das schaffen.« Er studierte kurz die Eintragungen in seinem Buch, nickte und klappte es zu. »Deshalb schlage ich Ihnen vor, Sie verzichten auf die Klausur und schließen den Kurs ohne Benotung ab.« Er hob die Hand, wie um einen Einwand Ranjits abzuwehren, doch der hatte gar nicht die Absicht gehabt, zu widersprechen. »Ich weiß, dass sich das
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