Das letzte Theorem
ihrem Haus bieten.
Natürlich setzte Beatrix Vorhulst ihren Willen durch. Von dem Moment an, in dem Ranjit bei ihr eintraf, kümmerte sich ihr gesamtes Dienstpersonal um ihn. Ihm stand jeder nur erdenkliche Komfort in diesem wahrhaft komfortablen Heim zur Verfügung. Besser hätte er es nirgendwo haben können.
Das Zimmer, das man ihm gab, war sogar noch größer und kühler, als er es sich in den heißesten Gefängnisnächten, wenn er schweißnass auf seiner Pritsche lag, herbeigesehnt hatte. Am
Tag bekam er drei köstliche Mahlzeiten - nein, es waren eher Dutzende, denn jedes Mal, wenn er die Augen für einen Moment schloss und eindöste, fand er beim Aufwachen einen verführerisch duftenden Apfel oder eine Banane oder eisgekühlte Ananasstückchen am Spieß auf dem Tischchen neben seinem Bett.
Und letzten Endes gewann er sogar seinen Streit mit den Ärzten, die ihn auf Gaminis Anweisung hin noch einmal gründlich untersuchten. Gewiss, zuerst musste er sie davon überzeugen, dass er während seiner Gefangenschaft jeden Tag ein bisschen herumgelaufen war, es sei denn, man hatte ihn so schwer misshandelt, dass er vor Schmerzen keinen Fuß vor den anderen setzen konnte. Doch als die Doktoren dann schließlich ihr Einverständnis gaben, durfte er frei nach Lust und Laune durch das grandiose alte Haus und die riesigen Gärten streifen. Er schwamm täglich im Pool, und er genoss es, wenn er in dem angenehm kühlen Wasser lässig auf dem Rücken dahintrieb, während die Sonne auf seinem Gesicht brannte und er träumerisch die hoch über seinem Kopf schwankenden Palmwedel beobachtete. Und er hatte Zugang zu den Nachrichtensendungen.
Was jedoch keine ungetrübte Freude war. Die lange Zeit, die er ohne Zeitung und Fernsehen verbracht hatte, fehlte ihm jetzt. Er war nicht auf die grausigen Details vorbereitet, die sich innerhalb dieser Zeit auf der Welt zugetragen hatten - die Morde, die Aufstände, die durch Autobomben angerichteten Blutbäder, die Kriege.
Doch die schlimmste Nachricht erhielt er nicht über die Medien. Gamini überbrachte sie, als er kurz bei ihm vorbeischaute, ehe er Sri Lanka wegen irgendeiner höchst wichtigen (und natürlich geheimen) Mission verließ. Er stand schon wieder in der Tür und rüstete sich zum Gehen, als er eine Pause einlegte und dann erneut ansetzte. »Ich muss dir noch etwas sagen, Ranj. Es betrifft deinen Vater.«
»Ja, sicher«, warf Ranjit zerknirscht ein. »Ich hätte mich gleich nach meiner Rückkehr bei ihm melden müssen. Ich rufe ihn sofort an.«
Doch Gamini schüttelte den Kopf. »Das geht leider nicht. Weißt du, er hatte einen Schlaganfall. Er ist tot.«
In diesem Augenblick wollte Ranjit nur mit einem einzigen Menschen sprechen, und er hatte ihn am Telefon, noch ehe Gamini das Haus der Vorhulsts verließ. Es war der alte Mönch Surash, der sich unglaublich freute, als er Ranjits Stimme hörte. Verständlicherweise war er weniger glücklich, über Ganesh Subramanians Tod reden zu müssen, obwohl er auch nicht besonders betroffen wirkte.
»Nun ja, Ranjit«, begann er, »dein Vater hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um dich zu finden, und ich glaube, die Anstrengung war zu viel für ihn. Eines Tages kam er wieder einmal von einem seiner vielen Besuche bei der Polizei zurück und klagte über große Müdigkeit. Am nächsten Morgen lag er tot in seinem Bett. Aber du weißt ja, dass es ihm in der letzten Zeit gesundheitlich nicht besonders gutging.«
»Offen gestanden hatte ich nichts davon gewusst«, erwiderte Ranjit bekümmert. »Mir gegenüber hat er nie erwähnt, dass ihm etwas fehlt.«
»Er wollte dich nicht mit seinen Problemen belasten - und du darfst auch nicht traurig sein, Ranjit. Sein jiva wird mit Ehren empfangen werden, und seine Bestattung war ein würdiger Akt. Da du nicht dabei sein konntest, sprach ich die Gebete und sorgte dafür, dass Blumen und Reisbällchen in seinem Sarg lagen. Nachdem er verbrannt worden war, trug ich eigenhändig seine Asche ans Meer. Der Tod ist nicht das Ende, wie du weißt.«
»Ja, das weiß ich«, erwiderte Ranjit, aber eher, um dem Mönch einen Gefallen zu tun, als aus Überzeugung.
»Vielleicht braucht er sogar niemals wiedergeboren zu werden. Und wenn doch, dann bestimmt als ein Mensch oder irgendein anderes Lebewesen in deiner Nähe. Ach, Ranjit, wenn du reisefähig bist, dann komm uns doch bitte besuchen. Hast du einen Anwalt? Dein Vater hat dir etwas vermacht. Selbstverständlich
bist du der Alleinerbe, aber es
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