Das letzte Treffen
Beifahrertür.
Der Knabe scheint mittleren
Alters zu sein. Er ist nicht gerade groß, aber dafür umso
breiter. Es lässt sich kaum erkennen, wer von uns beiden den größeren
Bauch hat.
Als ich es mir in dem Sitz
gemütlich gemacht habe, zeige ich dem Taxifahrer eine Kopie von Andri
Ólafurs Kreditkartenquittung.
»Erinnerst du dich an
diese Tour?«, frage ich.
Er betrachtet die Quittung
eingehend.
»Montagabend, 22 Uhr
28?«, murmelt er nachdenklich vor sich hin. »Ach ja, natürlich,
ich habe ein Paar an der Kaffibar abgeholt und habe sie nach Seltjarnarnes
gebracht.«
»Kannst du die beiden
beschreiben?«
Er guckt mich fragend an:
»Ist etwas nicht in
Ordnung?«
»Ich muss nur wissen,
wie die Frau aussah. Kannst du sie beschreiben?«
»Ich erinnere mich
nicht so genau an sie, ich fahre ja jeden Tag so viele Leute, verstehst
du. Aber ich meine, dass sie rote Haare hatte. Ja, diese Frau hatte ganz
bestimmt rote Haare, und sie hatte ein strenges Parfüm aufgetragen.«
»Welche Marke?«
»Das weiß ich
nicht.«
»Was hatte sie an?«
»Sie trug eine dunkle
Jacke und ich glaube auch einen großen Hut, aber ich bin mir nicht
mehr so sicher. Ich hatte keinen besonderen Grund, sie mir speziell zu
merken, verstehst du, er hat gesagt, wo es hinging und hat die Fahrt
bezahlt.«
»In Ordnung.«
Ich hieve mich aus dem Taxi.
Watschele gegen den Wind zu meinem Silberpfeil. Angele mein Handy aus der
Manteltasche. Rufe Haraldur an.
Der hellste Sonnenstrahl des
Tages kommt aus der unerwartetsten Richtung.
»Du hast deinen Willen
bekommen«, sagt die schulterbreite Schwarzjacke schlechtgelaunt.
»Wir werden beantragen, dass er sich drei Monate lang von seiner
Familie fernhalten muss. Der Antrag wird morgen Nachmittag im
Bezirksgericht verhandelt.«
»Ein Fortschritt für
die Menschheit.«
Das reicht, um Harald auf
hunderachtzig zu bringen.
»Was willst du damit
sagen?«, fragt er bissig.
»Ich habe es nur begrüßt,
dass du die richtige Entscheidung getroffen hast.«
»Das ist die
Entscheidung der Dienststelle.«
»Aha.«
Es ist leicht herauszuhören,
dass Haraldur eigentlich immer noch gegen den Antrag des Näherungsverbotes
ist. Aber er musste klein beigeben, denn seine Vorgesetzten waren anderer
Meinung.
»Schöne Grüße
an die, die dir vorgeschrieben haben, was du zu tun hast«, sage ich
lachend.
Er beendet das Telefonat
umgehend.
Verdammter Blödmann.
8. KAPITEL
Als ich gegen sechs in mein Büro
zurückkomme, telefoniert Lisa Björk. Aber macht kaum etwas
anderes als zuzuhören.
»Ich melde mich in
einer halben Stunde wieder bei dir«, sagt sie schließlich und
legt auf.
»Was ist los?«,
frage ich.
»Der Fall von Pfarrer
David ist in den Medien«, antwortet Lisa Björk. »Hlédís
hat eben auf Kanal 2 ein Interview gegeben, und jetzt wollen sie, dass der
Pfarrer dazu Stellung nimmt.«
»Was hat sie gesagt?«
»Ich habe es nicht
selbst gehört. Aber laut Pfarrer David hat sie behauptet, man habe
der Mehrheit des Pfarrgemeinderates vom Ordinariat zugesagt, Pfarrer David
eine andere Stelle innerhalb der Kirche anzubieten.«
»War also der Beschluss
des Gemeinderates in Absprache mit dem Ordinariat gefällt worden?«
»Man kann ihre Worte
wohl so auslegen.«
»Das kann ich kaum
glauben. Das widerspricht völlig dem Verwaltungsrecht. Besorg uns
eine Abschrift des Interviews, damit wir ihre Aussage genau vor uns haben.«
»Sie hat auch über
Schwierigkeiten der Zusammenarbeit gesprochen und ein paar Vorfälle
erwähnt, in denen Pfarrer David und andere Gemeindemitarbeiter
Auseinandersetzungen hatten.«
»Zum Beispiel?«
»Es gab hauptsächlich
Meinungsverschiedenheiten bezüglich der musikalischen Begleitung von
Gottesdiensten und was den Arbeitsbereich des zweiten Pfarrers angeht.
Soweit ich weiß, hat sie behauptet, Pfarrer David würde immer
wieder verhindern, dass Pfarrer Robert die Jugendarbeit der Gemeinde
pflegen kann, obwohl ihm das Presbyterium diese Aufgabe offiziell übertragen
hat.«
»Pfarrer David muss natürlich
ebenfalls ein Interview geben, um Hlédís zu antworten, aber
er darf sich auf keinen Fall in Nebensächlichkeiten verlieren. Er
darf auch weder arrogant noch herablassend erscheinen. Er ist hier das
Opfer, und das muss ganz deutlich zum Ausdruck kommen.«
»Wäre es nicht
gut, wenn ich die Sache mit ihm vorbereiten
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