Das letzte Treffen
würde?«
»Unbedingt. Du solltest
betonen, dass er seine Verwunderung und Betroffenheit über den
unerwarteten Angriff seiner Gemeindemitglieder und Mitarbeiter zum
Ausdruck bringt. Das ist der beste Weg, das Mitleid der Hörer und der
Presse zu erregen.«
Ich versuche, mich im
Wohnzimmer im ersten Stock auszuruhen. Mache es mir im Sofa gemütlich.
Schließe die Augen. Lege die Hände auf meinen Babybauch.
Höre Musik aus den
Achtzigern:
If I have to, I can do
anything. I am strong. I am invincible. I am woman.
Das hat Helen Reddy ungefähr
in dem Jahr gesungen, in dem ich geboren wurde.
Stark. Unbesiegbar.
So möchte ich auch gerne
sein. Immer. Egal was passiert.
Das Telefon stört mich
mitten in meinen Überlegungen.
»Hier ist Sigurlinni
von der Landeszentralbank«, sagt die Stimme im Handy, sobald ich das
Gespräch annehme. »Ich mache mir große
Sorgen wegen dieser Unruhen, die Sigurjöna und du angezettelt haben,
das muss ich schon sagen.«
Ich setze mich erstaunlich
schnell im Sofa auf.
»Unruhen, die wir
angezettelt haben?!«, schnaube ich wütend. »Sämtliche
Krawalle, die in diesem Fall angezettelt wurden, hat dein Sohn zu
verantworten! Er hat schließlich seine Frau geschlagen, nicht
andersherum.«
»Es fiel mir schwer,
diese Geschichten zu glauben, aber jetzt hat er mir seine Taten selber
gestanden«, antwortet Sigurlinni lallend. »Ich verstehe nicht,
woher der Junge das hat. Ich gebe zu, dass ich mich in meinen jüngeren
Jahren auch manchmal geprügelt habe, aber ich habe mich nie an Frauen
vergriffen, nie.«
»Dein Sohn hat es
getan.«
»Ja, das ist eine
Tatsache, wie ich schon sagte, aber ich finde, es geht zu weit, ihn wegen
dieser Streitigkeiten der Eheleute vors Gericht zu ziehen. Ich bin der
Meinung, es ist am besten für alle, einen solchen Konflikt mit Gesprächen
zu lösen, unter vier Augen. Baldvin hat mir versprochen, dass so was
nie wieder vorkommt.«
»Glaubst du wirklich,
dass Sigurjöna so einem Versprechen glauben kann, nach diesen
furchtbaren Schlägen, die sie ertragen musste?«
»Ich habe auch schon
Pfarrer Vigfús gebeten, mit beiden zu sprechen; erst mit jedem
alleine und dann mit beiden zusammen«, fährt Sigurlinni fort,
ohne auf meine Frage zu antworten. »Es ist immer möglich, sich
zu einigen, wenn die Leute bereit sind, miteinander zu reden, das ist
meine Erfahrung.«
»Baldvin hat sogar
versucht, ins Frauenhaus einzubrechen.«
»Das ist doch sehr
übertrieben, das muss ich schon sagen, aber ich habe ihm eingeschärft,
seine Gefühle im Zaum zu halten, und er verspricht, das in
Zukunft zu tun. Deshalb ist es völlig unnötig, dass diese
Unterlassungsklage vors Gericht kommt, das führt nur zu weiteren
verleumderischen Artikeln und Problemen.«
Aha!
Sigurlinni macht sich also
Sorgen über die Berichte in der Presse.
Das überrascht mich
nicht. Nicht, nachdem ich ein Foto des Bankdirektors auf dem Titelblatt
des Nachrichtenblogs gesehen habe. Unter der Überschrift:
SOHN DES
LANDESZENTRALBANKDIREKTORS BRICHT INS FRAUENHAUS EIN
Da hat Máki auch die
Karriere von Baldvin Sigurlinnason zusammengefasst, der alle seine
Arbeitsplätze durch politische Beziehungen bekommen hat. Nur weil er
der Sohn seines Vaters ist.
»Sigurjöna und die
Kinder brauchen eine sichere Umgebung«, sage ich bestimmt. »Das
haben sie nicht, solange Baldvin sich wie ein unterbelichteter
Neandertaler auf sie werfen darf. Deshalb ist eine Unterlassungsklage,
dass er sich seiner Familie nicht nähern darf, der einzige Weg.«
»Ich finde, du bist
ganz schön unnachgiebig, das muss ich sagen.«
»Ich vertrete nur die
Interessen meiner Klientin, die das Opfer von grober Gewalt seitens ihres
Ehemannes geworden ist.«
»Und ich versuche
gerade, die Ehe meines Sohnes zu retten, es ist mir viel wert, die Familie
zusammenzuhalten.«
»Wenn du in dieser
Sache etwas Sinnvolles tun willst, solltest du Baldvin dazu bewegen, aus
dem Haus der Eheleute auszuziehen, damit Sigurjóna mit den Kindern
wieder nach Hause kommen kann. Das wäre
schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.«
»Meinst du, das würde
genügen, damit ihr die Unterlassungsklage zurückzieht?«
»Nein, das können
wir jetzt nicht mehr ändern, aber du könntest im Anschluss daran
Sigurjóna und die Kinder besuchen und die Sache direkt mit ihr
besprechen.«
Sigurlinni
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