Das letzte Treffen
zu öffnen.
Der unterste Umschlag ist groß
und braun. An mich adressiert. Aber er trägt kein Logo eines öffentlichen
Amtes, Büros oder einer Firma.
Ich nehme das Papiermesser
zur Hand. Schlitze den Brief auf. Schütte den Inhalt auf den Tisch.
Viele Computerausdrucke. Auf
Englisch.
Abschnitte aus Berichten.
Über Waffenverkäufe nach Afrika.
An zwei Stellen sind Namen
mit gelbem Stift markiert.
Zwei Namen:
Donald Garber. Andri Ólafur
Sveinsson.
Der Bericht handelt vom
Kriegsgeschehen im Kongo. Dort sind seit 1994 vier Millionen Menschen
durch Waffen umgekommen. Was die höchste Todesrate in einem Krieg
seit dem Zweiten Weltkrieg ist. Die Opfer der Kriegsherren sind meistens
Frauen und Kinder. Die Gewehre, Geschosse und Granaten kommen ausschließlich
aus osteuropäischen Staaten. Aber durch die Vermittlung von
westlichen Geschäftsleuten, die viel Erfahrung darin haben, solche
Todesmaschinen in Kriegsgebiete zu schmuggeln.
Donald Garber und Andri
Ólafur Sveinsson sind zwei der acht Waffenhändler, die in dem
Bericht namentlich erwähnt werden.
Ganz zuunterst liegt ein
Brief an mich. Eine Seite lang. Auf isländisch.
»Geschäftemacher
des Todes bekommen, was ihnen zusteht«, steht ganz oben auf dem
Blatt. Wie eine Überschrift für einen Leserbrief im
Morgunbladid.
Ich überfliege den Text.
Die groben Informationen:
»… Andri Olafur
und Donald waren wie ein zweiköpfiger Troll … Es geschieht
ihnen recht, dass sie ihre blutige Karriere damit beendet haben, sich
gegenseitig zu bekämpfen, wie die Trolle in den alten Märchen
… Ihre Zusammenarbeit begann im Jahr 1973, als sie den
Rauschgiftverkauf auf der Base am Keflaviker Flughafen übernommen
haben … Donald kümmerte sich darum, das Hasch von der Base zu
schmuggeln …
Andri Ólafur überwachte
den Verkauf in Keflavik und dem Hauptstadtbereich … Sie haben auch
Tabak und Alkohol von der Base geschmuggelt … Haben alles von den
Amis geklaut, was nicht niet- und nagelfest war, und an die Isländer
verkauft … Andri Ólafur hat Donald 1975 in Los Angeles
besucht … Da begann ihre Zusammenarbeit mit dem Waffenschmuggel
… Sie sind weit herumgekommen auf ihrer langen und dreckigen
Karriere … Die beigelegten Ausdrucke geben einen kleinen Einblick
in ihre Geschäftswelt … Ein leuchtendes Beispiel dafür,
wie die Geschäftemacher des Todes Mord und Totschlag auf der ganzen
Welt anfachen.«
Keine Unterschrift.
Der Brief hat keinen
Absender. Wie die Nachricht an Matthildur Haflidadóttir.
Ich lege die Seiten vor mir
auf den Tisch.
Der Absender scheint die
Geschäfte von Donald Garber und Andri Ólafur Sveinsson von der
ersten Stunde an verfolgt zu haben.
Ganz eindeutig mit schlechten
Absichten. Wenn er der Meinung ist, dass der grauenhafte Tod des einen und
die Gefängnishaft des anderen ihre verdiente Strafe ist.
Warum dieser Hass?
Nur der geheimnisvolle
Unbekannte kann diese Frage beantworten.
Dann muss man ihn ausfindig
machen. Wie auch immer ich das anstelle.
»In der Dunkelheit
findet man keine Schatten.«
Sagt Mama.
21. KAPITEL
Samstag
Andri Ólafur bleibt
vor der geschlossenen Tür des Gesprächszimmers stehen. Wartet ab
und beäugt mich mit seinen bräunlichen Pokeraugen. Wie eine
Statue. In dunklen Hosen und einem weißen Hemd, aber mit offenem
Ausschnitt.
»Willst du dich nicht
setzen?«, frage ich.
Er deklamiert feierlich, wie
ein Schauspieler auf der Bühne:
»Der Feige stirbt schon
vielmal, eh er stirbt.«
»Was du nicht sagst
…«
»Sie haben mir erlaubt,
ein Buch in der Zelle zu haben«, fährt er fort, ohne sich dem
Tisch zu nähern, wo ich mich auf einem unbequemen Stuhl
niedergelassen habe. »Ich habe mich für Julius Caesar
entschieden, den habe ich früher schon einmal gelesen.«
»Waren das seine Worte?«
»Er spricht sie im
Theaterstück des unsterblichen Dichters.«
»Ist Caesar dein
Vorbild im Leben, oder was?«
»Stell dir mal diese
unzähligen Kleingeister vor, die sich gegen ihn zusammengerottet
haben. Caesar war über alles erhaben. Ihm war schon seit langem klar,
dass der Tod kommt, wenn er kommt. Deshalb ist es unnötig, sich
Sorgen wegen des Todes zu machen.«
»Glaubst du auch an das
Schicksal?«
Andri Ólafur kommt
langsam zum Tisch. Nimmt mir gegenüber Platz. Stützt die
Ellenbogen auf die weiße Tischplatte. Guckt mir die ganze Zeit in
die
Weitere Kostenlose Bücher