Das letzte Treffen
bekommen, weil er so ungeheuer
aufgebracht ist.«
»Versuch es trotzdem,
bis das Verhör beginnt. Und halt mich auf dem Laufenden. Ich werde
heute Nachmittag wieder im Büro sein.«
Auf dem Weg nach Reykjavik
durchdenke ich genauer diese neue und unerwartete Wendung, die der
Kirchenkonflikt in Seltjarnarnes genommen hat.
Es ist zu erwarten, dass Hlédís
es nicht einfach dabei belässt, Pfarrer David bei den Schwarzjacken
anzuzeigen. Sie wird diese Anschuldigungen wahrscheinlich auch bei der
ersten Gelegenheit an die Medien weitergeben. Um sich an Pfarrer David zu
rächen. Zumal in dieser christlichen Gemeinde nichts anderes als
wilder Haß zu walten scheint.
Ich schiebe es auf, Bjarnis
Nachrichten zu beantworten, bis ich nach Hause gekommen bin. Mir einen
kochend heißen, tiefschwarzen Espresso gebraut habe. Und es mir in
meinem schwarzen Chefsessel bequem gemacht habe.
Er ist besorgt.
»Was ist los?«,
frage ich.
»Die Staatspolizei hat
nach einem Urteil des Bezirksrichters alle
Buchhaltungsunterlagen mitgenommen, die Andri Ólafur Sveinssons
Finanzen und Steuererklärungen betreffen und sich in unserer Obhut
befinden«, antwortet er mit tiefer Stimme. »Sie sind hier
heute Morgen mit einer ganzen Mannschaft eingefallen und haben alles
konfisziert.«
»Aus welchem Grund?«
»Weil sie diese
Unterlagen unbedingt wegen der aktuellen Ermittlungen am Mord an Donald
Garber bräuchten. Ich habe protestiert und werde Klage einreichen, um
dieses Urteil anzufechten, aber in der Zwischenzeit liegen die Dokumente
natürlich in ihren Händen. Ich fände es wichtig, dass Andri
Ólafur so schnell wie möglich von diesem unerwarteten
Schachzug der Polizei erfährt.«
»Was für
Unterlagen befanden sich bei dir?«
»Vor allem Buchführungsakten,
die die Steuer von Andri Olafur und seiner Firmen betreffen. Ehrlich
gesagt ist mir völlig unklar, inwiefern diese Papiere zu den
Ermittlungen des Mordfalles beitragen können. Das gilt auch für
die E-Mails.«
»Welche E-Mails?«
»Sie haben Kopien von
allen Mails gezogen, die Andri Olafur und ich uns gegenseitig geschickt
haben.«
»Ist die Post nicht
codiert?«
»Ja, schon, doch der
Richter hat verlangt, dass ich die Passwörter abgebe.«
»Also können sie
alle Mails lesen, die ihr euch geschickt habt?«
»Ja, so wie es jetzt
aussieht, aber ich bereite eine Klage vor, um den Schaden zu begrenzen.«
»Hattest du
irgendwelche Unterlagen, die auf eine Auseinandersetzung zwischen Andri
Ólafur und Donald Garber hinweisen?«
»Nein, ich kann
behaupten, dass keine einzige Akte erklären könnte, warum dieser
Mord begangen wurde.«
»Warum gehen sie so
weit?«
»Das übersteigt
mein Verständnis.«
»Ist dieser Aktionismus
vielleicht ein Zeichen von Verzweiflung? Oder steckt etwas anderes
dahinter?«
»Zum Beispiel?«
»Die US-Regierung
untersucht den neuesten Waffenverkauf von Donald und Andri Ólafur
nach Pakistan.«
»Ja, das weiß
ich, aber nichts in diesen Unterlagen wirft ein Licht auf dieses Geschäft.«
»Bist du sicher?«
»Ja, es muss auf die
eine oder andere Art mit dem Mord zu tun haben, obwohl ich nicht ganz den
Zusammenhang sehe«, sagt der blasierte Bjarni. »Ich dachte
eigentlich, sie hätten genug Beweismaterial gegen Andri Ólafur.«
»Sie brauchen
allerdings immer noch einen nachvollziehbaren Anlass«, antworte ich.
»Warum soll Andri Ólafur Donald Garber ermordet und
misshandelt haben? ›Einfach so‹ ist keine besonders überzeugende
Begründung in einem Mordfall.«
Ich gehe langsam und
vorsichtig die Treppe hoch. Ins Schlafzimmer, wo mir ein wunderbarer Parfümgeruch
entgegenschlägt. Mein Lieblingsduft von Dior:
Pure Poison.
Den Laptop, den ich letzte
Woche aus dem Haus meines Klienten geholt habe, habe ich in meinem
Kleiderschrank versteckt. Unter weicher Unterwäsche, in Rosa, Rot,
Schwarz und Lila.
Aber momentan kann ich mit
dem Gerät nichts anfangen. Andri Ólafur Sveinsson hat keine
neue E-Mail aus den sonnigen, südlichen Gefilden in Florida bekommen.
Ist das ein gutes Zeichen?
Wer weiß.
Manche behaupten immer, dass
keine Nachrichten gute Nachrichten sind. Was natürlich
ein dümmlicher Optimismus ist. Wie eine Art Aberglauben. »Keine
Neuigkeiten sind einfach nur keine Neuigkeiten.« Sagt Mama.
30. KAPITEL
Njatthildur atmet schwerfällig.
Ihre knochigen Hände liegen verkrampft auf der
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