Das letzte Treffen
weißen
Bettdecke.
Ich setze mich auf das Bett
neben ihre Füße.
»Die Pflegerinnen haben
wahrscheinlich heute Morgen gedacht, dass ich endlich meinen Geist aufgebe«,
flüstert sie. »Aber hier bin ich immer noch.«
Maria, ihre Tochter, kam kurz
vor Mittag nach Gardvangur, um bei ihrer Mutter zu sein, wenn sie stirbt.
Sie rief mich nachmittags an.
»Mama bittet darum,
dich zu treffen«, sagte Maria.
Ich ließ mich darauf
ein, gegen Abend wieder nach Sudurnes zu fahren. Obwohl ich nach einem
langen und anstrengenden Tag verdammt müde war.
»Sie kann jeden
Augenblick sterben«, sagte Maria, als sie mich im Eingangsbereich
des Pflegeheims empfing. »Sie quält sich sehr, aber passive
Sterbehilfe lehnt sie ab.«
»Passive Sterbehilfe?
Ist das nicht eine organisierte, langsame Hinrichtung?«
»Nein, das ist ein
menschenwürdiger Weg, um es Leuten zu ermöglichen, ohne unnötige
Schmerzen zu sterben«, antwortete Maria. »Aber Mama will
lieber diese Schmerzen ertragen als aufgeben, und nichts, was ich ihr
gesagt habe, kann sie dazu bringen, ihre Meinung zu ändern.«
Matthildur ist bleich und
schwach. Die Stimme ist nur ein Flüstern. Trotzdem scheint sie bei
vollem Bewusstsein zu sein. Und fragt umgehend nach ihrem Sohn.
»Ich habe noch keine
neuen Beweise gefunden«, antworte ich und beuge mich zu ihr
hinunter. »Aber je länger ich mich mit dem Fall beschäftige,
desto mehr Fragen stellen sich.«
»Erzähl mir alles.«
Ich berichte Matthildur von
den neuen Informationen über Donald Garber. Von seiner vermeintlichen
Tat an dem Jungen in Okinawa. Von den gegensätzlichen Behauptungen
der Zeugen, wo Donald an dem Sonntag war, an dem ihr Sohn verschwand. Von
den verdächtigen Reaktionen der isländischen und amerikanischen
Regierung, die Donald schnellstens aus dem Land geschafft haben.
»Ich finde, diese drei
Punkte geben Anlass für tiefere Nachforschungen«, sage ich.
»Aber die können natürlich dauern.«
»Wussten sie die ganze
Zeit, dass Donald ein Kinderschänder war?«, fragt sie.
»Seine Vorgesetzten
wussten es zweifellos.«
»Donald hat manchmal
angeboten, auf Kalli aufzupassen, als ich oben in Rockville geputzt habe.
Ich habe ihm meinen Jungen anvertraut. Der Herr vergebe mir.«
Ich warte einen Moment. Aber
dann versuche ich doch, Matthildurs Gedächtnis zu beanspruchen.
»Erinnerst du dich, ob
du Donald am Tag, an dem Kalli verschwand, getroffen hast?«
»Ich glaube nicht. Papa
war das ganze Wochenende lang krank, und Donald durfte nie zu uns zu
Besuch kommen, wenn Papa zu Hause war. Er war sehr gegen die Stationierung
der Army.«
»Trotzdem war Donald
einige Tage später bei dir?«
»Da muss Papa draußen
gewesen sein. Er hat Kalli gesucht, obwohl er krank war.«
Matthildur hustet immer
wieder. Ihr ausgemergelter Körper zittert dabei wie Herbstlaub im
Wind.
Maria beruhigt ihre Mutter
leise.
Sie stützt ihren Kopf
und ihre Schultern. Setzt sie im Bett auf. Gibt ihr zu trinken, als der
Husten abklingt.
»Jetzt ist auch Zeit für
deine Schlaftabletten«, sagt Maria.
Matthildur schließt die
Augen. Schluckt die Tabletten.
Maria hilft ihr, sich auf den
Rücken zu legen. Deckt sie vorsichtig zu. Zieht die Bettdecke bis
unter das Kinn.
»Besteht Hoffnung?«,
flüstert Matthildur.
»Der nächste
Schritt besteht darin herauszufinden, ob Donald am Tag, an dem Kalli
verschwand, in Keflavik in der Hafnargata war oder nicht«, antworte
ich. »Wie es weitergeht, hängt von dem Ergebnis ab.«
»Danke, dass du es
versuchst.«
Ich warte auf Maria. Auf dem
langen, leeren Gang.
»Sie ist eingeschlafen«,
sagt sie. »Hast du schon gegessen?«
»Nein, noch nicht.«
»Ich wollte zum
Restaurant Räin.«
Das Ráin liegt am Ende
der Hafnargata in Keflavik. Gleich neben den alten Duus-Häusern. Wo
darum gerungen wird, die Geschichte wieder lebendig werden zu lassen. Für
die Touristen.
In der Bar sind viele Leute.
Aber kaum jemand im Speisesaal. Daher bekommen wir auch sofort einen Tisch
an einem Fenster, von dem aus man das Meer sehen kann.
»Kalli hat da, hinter
der Bucht, am Strand gespielt«, sagt Maria.
»Direkt unterhalb der
Wohnhäuser?«
»Zu der Zeit gab es
noch keine Gebäude oben auf dem Berg, diese Wohnhäuser wurden
alle wesentlich später gebaut.«
Ich bin völlig
ausgehungert. Stopfe einen Salat mit Feta in mich hinein. Bevor ich mich über
das
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