Das letzte Treffen
Westmännern gefunden.«
»Wohnt er dort immer
noch?«
»Ja, ich besuche ihn
immer, wenn im Herjólfsdalur Volksfest ist.«
»Warst du in Keflavik,
als dein Neffe verschwand?«
»Ja, ich habe auch an
der Suche nach Kalli teilgenommen.
Wir haben eine ganze Woche
lang bei Ebbe den Strand abgesucht, ohne den Jungen zu finden. Das war ein
entsetzlicher Unfall.«
»Bist du sicher, dass
es ein Unfall war?«
»Soweit ich weiß,
hat niemand daran gezweifelt.«
»Hattest du nie den
Verdacht, dass Kalli sexuell missbraucht wurde?«
»Nein«, antwortet
Kjartan. »Aber Maria hat mir von Matthildurs neuesten Befürchtungen
berichtet.«
»Wann?«
»Ich habe die beiden
letztes Wochenende besucht.«
»Hast du mit ihnen
Kontakt gehalten?«
»Ja. Maria nahm es sich
sehr zu Herzen, als lllugi die Familie verlassen hat, und ich habe mehr
schlecht als recht versucht, das Verhalten meines Bruders etwas auszubügeln.
Seitdem sind Maria und ich gut befreundet und telefonieren regelmäßig
miteinander.«
»Wusstest du, dass Geir
ein Kinderschänder war?«
Kjartan starrt mich an.
»Geir, der Vater von
Jakob?«, füge ich als Erklärung hinzu.
Er schüttelt den Kopf.
»Bist du ganz sicher?«
»Ja.«
»Und Donald Garber?«
Kjartan setzt sich auf einen
der Stühle. Mit dem Rücken zum Glasfenster.
»Es hat mich sehr
überrascht, als ich in den Nachrichten sah, dass Donald wegen des
Besitzes von Kinderpornos verhaftet wurde«, antwortet er. »Ich
habe Donald zwar nur flüchtig kennengelernt, aber ich hatte immer den
Eindruck, dass er auf Frauen stand.«
»War er nicht mit
Matthildur zusammen?«
»Doch, aber sie war
nicht die Einzige, die seinem Charme erlag. Ich wusste,
dass Donald noch mit mindestens einer anderen Frau angebandelt hatte.«
Ich setze mich Kjartan gegenüber.
Öffne meine rotbraune Aktentasche.
»Er war auch ein
Kinderschänder«, sage ich. »Wie man auf diesem Bild
deutlich erkennen kann.«
Kjartan betrachtet die Kopie.
Er ist ganz eindeutig entsetzt.
»Was für eine
Ungeheuerlichkeit«, sagt er und schiebt das Foto von sich.
»Wer könnte dieses
Foto gemacht haben?«
»Ich weiß es
nicht«, antwortet er. »Ich finde es am wahrscheinlichsten,
dass einer von den Amis das geschossen hat.«
»Warum glaubst du das?«
»Nun, das Foto stammt
aus Rockville.«
»Woher weißt du
das?«, frage ich gespannt.
»Ich erinnere mich an
diese Umgebung.«
Ich grabsche nach der Kopie.
Betrachte das Foto eingehend. Nicht Donald oder Kalli, sondern den
Hintergrund.
Sie sitzen auf einem dunklen
Ledersofa. Neben einer Reihe von Schränken, die aus Metall zu sein
scheinen. Auf einem davon stehen ein paar Sixpacks Bier. Aber an der Wand
hinter dem Sofa hängen drei große Bilder mit nackten Frauen.
Wahrscheinlich aus dem Playboy. Und ein paar undeutliche Abzeichen, die
ich nicht kenne.
»War das Donalds Zimmer
in Rockville?«, frage ich.
»Nein, aber Donald
hatte Zugang zu den unterirdischen Bunkern«, antwortet Kjartan.
»Er hat sich einen geheimen Platz in einer Abstellkammer
eingerichtet.«
»Bunker?«
»In Rockville wurden
unterirdische Lager für Waffen und Nahrungsmittel gebaut. Das war
eine Sicherheitsmaßnahme, falls die Russen die Radarstation
angreifen würden. Der Bunker bestand aus einem langen Gang mit
winzigen Zimmern zu beiden Seiten.«
»Durftest du dort
hinunter?«
»Ja, ganz oft«,
sagt Kjartan. »Andri Ólafur und ich waren an Wochenenden oft
nachts unterwegs, und wenn wir Alkohol brauchten, haben wir einfach Donald
angerufen. Meistens hat er uns gesagt, wir sollen bei ihm in Rockville
vorbeischauen, und dort haben wir so manche Bierflasche gemeinsam gekillt.«
»Warum hatte Donald
Zugang zu geheimen Waffenlagern?«
»Weißt du das
nicht?«
»Dann würde ich
nicht fragen.«
»Offiziell kümmerte
sich Donald um die Freizeitgestaltung in Rockville, aber das war nur ein
Vorwand. Er war eigentlich beim ONI angestellt.«
»ONI? Was ist das?«
»Office of Naval
Intelligence. Er war ein Spion.«
36. KAPITEL
Samstag
Endlich wird es langsam wärmer.
Das Glatteis auf der Landstraße,
die über die Hellisheidi führt, ist weggetaut. Wo sich hellgraue
Dampfsäulen aus Bohrlöchern und Heißwasserseen bis in den
Himmel erstrecken.
Trotzdem sind Kuhlen und
Senken an den Bergwänden immer noch mit Schnee gefüllt.
Ich erlaube meinem
Silberhengst, sich auf
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