Das letzte Treffen
klug. Und bereit, sich
das anzuhören, was ich herausbekommen habe.
Lauter Pluspunkte. Ein
Kriegsrat mit Njördur ist daher genau das Richtige in diesem Moment.
Er bittet mich in die Küche.
Wo schon der Kaffee wartet.
»Du magst ihn am
liebsten schwarz, wenn ich mich recht erinnere«, sagt er. Und
schenkt ein.
»Schwarz und ohne
Zucker.«
»Was gibt es Neues?«,
fragt er.
Ich nippe an seinem bitteren
Kaffee.
Scheußliches Ekelzeug.
Hat wahrscheinlich seit heute Morgen in der Kaffeemaschine vor sich hin
geköchelt.
»Du hast die falschen
Schlüsse gezogen«, sage ich und stelle die Tasse auf den Tisch.
»Inwiefern?«
»Du hättest
glauben sollen, was Hermann Jónatansson ausgesagt hat.«
»Was hätte ich
glauben sollen?«
»Hermann hat Donald
Garber an dem Tag, als Karl Illugason verschwand, kurz nach Mittag in der
Hafnargata in Keflavik getroffen.«
Njördur nimmt seine
Brille ab. Beginnt, die runden Gläser mit einem weißen
Taschentuch sorgfältig zu putzen.
»Andri Ólafur
gibt zu, dich 1974 belogen zu haben«, fahre ich fort. »Donald
ist an dem Wochenende, als Karl Illugason verschwand, nicht mit ihm auf
einen Ball in der Aratunga gefahren.«
»Sagt Andri Ólafur
Sveinsson das heute?«
»Ja.«
»Kann man den Worten
eines Mannes trauen, der Falschaussagen gesteht?«
»Ich habe auch Beweise
dafür, dass Donald Garber Karl Illugason missbraucht hat.«
»Welche?«
Ich beuge mich zu meiner
Aktenmappe hinunter. Hole eine Kopie des Fotos heraus. Lege es vor die
alte Schwarzjacke auf den Tisch.
Njördur setzt seine
Brille wieder auf. Guckt sich lange die Nacktaufnahme an.
»Woher kommt dieses
Foto?«, fragt er schließlich.
»Es ist mir nicht
gestattet, das zu berichten. Aber ich weiß, wo es geschossen wurde.«
»Wo?«
»In einem Bunker in
Rockville. In einem kleinen Zimmer, das Donald Garber für seine
Orgien und Schweinereien benutzt hat.«
Njördurs Pranken
zittern, als er das Blatt hinlegt.
»War vielleicht Andri
Ólafur Sveinsson der Fotograf?«, fragt er.
»Ich weiß noch
nicht, wer das Foto geschossen hat«, antworte ich. »Aber
Jakobs Vater steht stark unter Verdacht.«
»Geir?«, fragt Njördur
mit Verwunderung. »Warum er?«
»Donald und Geir
kannten sich. Und sie waren beide Kinderschänder.«
Njördur durchbohrt mich
mit seinen grauen Augen.
»Behauptest du im
Ernst, dass Geir auch Kinder missbraucht hat?«
»Ich weiß es
sicher. Eines der Opfer hat mir detailgetreu berichtet, was sich zu Hause
bei diesem Mistkerl zugetragen hat.«
»Welche Kinder soll er
denn missbraucht haben?«
»Kalli. Jakob, seinen
Sohn. Und andere, die ich nicht namentlich nennen möchte.«
Njördur steht schnell
auf. Als könnte er nicht mehr auf seinem Platz sitzen bleiben.
»Ich brauche frische
Luft«, sagt er.
Draußen ist es
windstill. Obwohl der Himmel zugezogen ist.
Die Frühjahrssonne ist
nirgends zu entdecken. Weder über Sudurnes noch über dem weiten
Faxaflói.
Wir gehen langsam und gemütlich
hinunter an den Hafen. Wo einige Fischereiboote an der Brücke vertäut
sind. Aber nur wenige Leute sind unterwegs.
In einem der Fischerboote
stehen sich zwei Männer gegenüber. Der eine uralt. Der andere
wesentlich jünger. Beide haben sich große weiße
Plastikschürzen umgebunden.
Sie bearbeiten ihren Fang. Köpfen
einen Fisch nach dem anderen mit scharfen Messern. Werfen sie in einen
hellbraunen Fischereibottich.
»Trotz meiner
jahrzehntelangen Erfahrung als Polizist wollte ich immer an das Gute im
Menschen glauben«, sagt Njördur. »Meine Kollegen haben
mich oft mit meinem Optimismus aufgezogen, nannten es manchmal Naivität.
Manche waren und sind sicher immer noch der festen Meinung, dass die
meisten Menschen von Grund auf unmoralische Tiere sind und man ihnen alles
zutrauen kann, wenn sich ihnen die Gelegenheit bietet.«
»Sind denn nicht alle
bei der Geburt unschuldig?«
»Das war und wird auch
immer meine Ansicht sein, aber wenn ich sehe, wie Erwachsene unschuldigen
Kindern gegenüber erbarmungslose Grausamkeit walten lassen, zweifle
ich manchmal an meiner Überzeugung und an meinem gesamten Urteilsvermögen.«
Njördur bleibt stehen.
»Welchen Bunker hast du
vorhin gemeint?«, fragt er.
»Die Amis haben in
Rockville Waffen und Nahrungsmittel unterirdisch aufbewahrt. In Bunkern,
die Luftangriffen standhalten sollten. Das Foto von Donald und
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