Das letzte Treffen
getroffen?«
»Nein, ich weiß
nichts von ihm.«
»Sorry.«
»Ich verstehe völlig,
warum dich dieser alte Fall so gefangennimmt und du ihm den Vorrang einräumst«,
sagt sie. Natürlich hat Lisa Björk recht.
Ich habe mir kaum Zeit
genommen, mich um die anderen Dinge zu kümmern, die bearbeitet werden
müssen. Meine Priorität lag bei den Ermittlungen zum
Verschwinden von Karl Illugason vor über dreißig
Jahren. Einfach deshalb, weil ich die traurigen Mutteraugen in Matthildurs
Gesicht nicht aus meinem Gedächtnis streichen kann.
Augen, die mich unentwegt
ansehen. Bittend. Hartnäckiger als die Augen des Riesen Glámur.
Oh, Mann!
Lisa Björk ist äußerst
unzufrieden mit der Berichterstattung des Helgarbladid über die Klage
von Hlédís Ásgrímsdóttir. Zu Recht.
Die Stimmung wurde von der
Überschrift vorgegeben:
GEMEINDEPFARRER MIT
KINDERPORNOS ERWISCHT
Obwohl die Zeitung Pfarrer
Davids Erklärung zitiert hat, lag das Hauptaugenmerk auf der Tatsache
der Kinderpornos. Laut einem anonymen Informanten in der
Schwarzjackenzentrale von Reykjavik wurde das Nacktfoto eines Kindes im
Computer des Pfarrers gefunden.
Die meisten Leser der Zeitung
müssten daraus den Schluss ziehen, dass der Gemeindepfarrer ein
Perverser sei. Wahrscheinlich auch noch ein Kinderschänder obendrein.
»Pfarrer David hört
nicht auf meine Ratschläge«, sagt Lisa Björk. »Er
ist das ganze Wochenende wie ein Wirbelwind durch die verschiedenen
Radiosender gefegt und hat der DV, Hlédís und dem
Gemeinderat mit einer Verleumdungsklage gedroht. In einem Interview hat er
ziemlich direkt angedeutet, Hlédís selbst habe ihm dieses
Pornofoto per E-Mail zugeschickt, obwohl er dafür keine Beweise hat.
Er ist nicht zu zügeln.«
»Aber wenn es ihm mit
Interviews in den Medien gelingt, die Leute davon zu überzeugen, dass
er in dieser Angelegenheit ein unschuldiges Opfer ist, dann wäre es
doch das Beste.«
»Kannst du dir
vorstellen, dass er nach dieser negativen Publicity noch irgendwo als
Gemeindepfarrer eingestellt wird?«
»Er hatte keine andere
Wahl. Manchmal ist Angriff die beste Verteidigung.«
Ich verabrede mich am
Nachmittag mit Pfarrer David.
Er ist immer noch in
kriegerischer Stimmung.
»Ich kann einer
unmoralischen Hure doch nicht erlauben, meinen Ruf derart zu ruinieren!«,
donnert er los. »Ich werde kämpfen, kämpfen und nochmals kämpfen,
bis die Wahrheit ans Licht kommt und die Gerechtigkeit siegt.«
Aber er zeigt sich
erstaunlich realistisch. Als wir die Lage analysieren.
»Ich habe Beweise dafür,
dass das Ordinariat meiner Amtsenthebung zugestimmt hat, bevor der Brief
von der Mehrheit des Gemeinderates beschlossen und abgeschickt wurde«,
sagt er. »Man hat hinter den Kulissen darüber verhandelt und
ging davon aus, ich würde mich als treuer Diener der Kirche mit
geschaffenen Tatsachen abfinden.«
»Aber so eine
Verabredung ist gegen das Gesetz.«
»Niemand wird dies
öffentlich bestätigen.«
»Wenn du den
Pfarrgemeinderat verklagst, lassen wir den Bischof und seine Mitarbeiter
als Zeugen vorladen. Sie würden doch wohl kaum vor Gericht lügen?«
»Ich habe es in den
letzten Tagen und Wochen am eigenen Leib erfahren, dass die Mitarbeiter
der Staatskirche ziemlich einfallsreich sind, was Ausweichmanöver
angeht. Sie werden wahrscheinlich Hlédís' Anzeige als glänzende
Gelegenheit nutzen, um die Sache so schnell wie möglich abzuschließen.«
»Wie denn?«
»Ich nehme an, dass sie
dem Antrag des Pfarrgemeinderats in den nächsten Tagen offiziell
stattgeben und dann meine Stelle zur Bewerbung ausschreiben. Es würde
mich nicht wundern, wenn das das Ergebnis wäre.«
»Ohne dich gehört
zu haben? Oder eine Gemeindeversammlung einberufen zu haben?«
Pfarrer David seufzt.
»Ich befürchte,
der Schaden ist geschehen«, sagt er. »Nach diesem Artikel in
der DV gibt es wenig Hoffnung, dass meine Leute die Mehrheit in einer
Gemeindeversammlung stellen können. Es gibt so viele, die bereit
sind, das Schlimmste über ihren Nächsten zu glauben.«
»Was willst du dann
unternehmen?«
»Meine Ehre muss öffentlich
und umgehend wiederhergestellt werden.«
»Möchtest du mit
dem Ordinariat über ihr Angebot verhandeln?«
»Nein, ich treffe zunächst
keine neuen Vereinbarungen. Ich verlange erst, dass mein Name von
jeglicher Verleumdung befreit wird.«
»Wir werden dich
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