Das letzte Treffen
mir an den Zaun
gelaufen. Betrachtet mit glänzenden Augen meinen zweisitzigen Benz.
»Wow«, sagt er.
»Supertolles Auto.«
»Finde ich auch.«
»Wie schnell kann man
damit fahren?«
»Verboten schnell.«
»Wie schnell bist du
schon damit gefahren?«
»Hunderachtzig. Da wo
mich keiner gesehen hat.«
Grettir kommt durch das Tor
gelaufen. Geht um meinen Silberpfeil herum. Voller Bewunderung für
mein deutsches Prachtstück.
»Sind alle Wohnungen in
eurem Haus vermietet?«, frage ich.
»Der Junge im ersten
Stock ist nach Akureyri gezogen.«
»Also ist die Etage
dann zu haben?«
»Mama weiß es
vielleicht, du kannst sie ja fragen.«
Ich géhe durch den
Garten. Klingle.
Karen kommt an die Tür.
Die Mutter der Kinder. Klein. Dicklich. Mit glattem dunklem Haar. Müdem
Blick.
»Ich suche eine Wohnung«,
sage ich lächelnd. »Ist hier etwas frei?«
»Der erste Stock ist
frei, aber unterm Dach wohnt jemand, glaube ich.«
»Glaubst du?«
»Eine blonde Frau ist
ab und zu da oben. Manchmal liegen ein paar Monate zwischen ihren
Besuchen, doch sie kommt immer wieder.«
»Was für eine
Frau?«
»Ich habe sie nie
getroffen«, antwortet Karen.
»Aber du bist sicher,
dass die mittlere Etage frei ist?"
»Soweit ich weiß,
ja, aber du musst mit Gunnvör darüber sprechen.«
»Ich würde gern
die Wohnung ansehen. Hast du nicht einen Schlüssel?«
Sie schüttelt den Kopf.
Gibt mir die Telefonnummer und die Adresse von Gunnvör
Rikhardsdóttir in Reykjavik. Und schließt die Haustür.
»Tschüss«,
rufe ich Grettir zu. Der immer noch meinen Silberpfeil bestaunt.
Watschle zum nächsten
Grundstück. Klopfe bei Haflidi.
Maria öffnet die Tür.
Schon allein ihr Anblick
weckt wohlige Erinnerungen. Ihr rotes, hübsch gewelltes Haar. Ihre
blauen Augen. Vollen Lippen.
»Ich muss mit dir unter
vier Augen sprechen«, sage ich. Und folge ihr ins Haus.
Haflidi sitzt vornübergebeugt
am Couchtisch im Wohnzimmer. Mit dem Kartenspiel in der Hand. Er legt
gerade wieder eine Königspatience. Genauso saß er da, als ich
ihn das erste Mal getroffen habe.
»Wie geht's Matthildur?«,
frage ich.
»Sie schläft
meistens«, antwortet Maria. »Ich gehe heute Abend wieder zu
ihr.«
Ich setze mich aufs Bett. Wo
wir es ungehemmt genossen haben, zusammen zu sein. Eine leidenschaftliche
Nacht. Als Marias Hunger stärker wurde als ihre Schuldgefühle.
Sie lehnt sich an die Wand
mir gegenüber. Guckt mich fragend an.
»Hat Pfarrer David dir
das Foto gezeigt, das er im letzten Monat per E-Mail bekommen hat?«,
frage ich.
Die Frage überrascht
Maria sichtlich.
»Welches Foto?«,
murmelt sie.
Ich gucke eine Weile
forschend in ihre blauen Augen. Angle dann mein Handy aus meinem hellen
Pelzmantel.
»Soll ich Pfarrer David
anrufen und ihn fragen?«
»Das brauchst du nicht«,
antwortet sie.
»Was hast du gemacht,
nachdem du dieses ekelhafte Foto gesehen hast?«
»Ich habe zu Gott
gebetet, dass er seine gerechte Wut über den Sünder kommen lässt.«
»Sonst nichts?«
»Nein, ich brauchte
nichts anderes zu tun. Gott hat Donald schon für das bestraft, was er
meinem Bruder angetan hat.«
»So, wie er Geir
bestraft hat?«
»Ja.«
»Aber der Gute hatte
mit Sicherheit einen Helfershelfer«, sage ich. »Bist du ihm zu
Hilfe gekommen? Um Rache zu üben?«
»Nein.«
»Du hast hoffentlich
ein gutes Alibi für den Abend und die Nacht, in der Donald zerstückelt
wurde.«
»Ich hatte die ganze
Woche Nachtdienst in der Uniklinik.«
»Gut zu hören. Wer
hat noch das Foto von Donald und Kalli gesehen?«
»Da musst du Pfarrer
David fragen.«
»Hast du niemandem das
Bild gezeigt?«
»Nein.«
Maria lässt sich neben
mich auf das Bett fallen.
»Es ist eine
schreckliche Sünde, jemanden umzubringen«, sagt sie. »Ich
könnte so eine grausame Tat nicht ausführen, selbst wenn es sich
um einen widerlichen Kinderschänder handelt.«
Ich lege meine eine Hand
vorsichtig auf ihre Schulter.
»Irgendwer hat es aber
getan.«
»Es war niemand, den
ich kenne, da bin ich ganz sicher«, antwortet sie. Und lehnt ihren
Kopf an meine Schulter.
»Der springende Punkt
ist, dass die beiden Perversen, die deinen Bruder missbraucht haben, eines
unnatürlichen Todes gestorben sind«, sage ich.
»Gott sei Dank.«
»Aber was ist mit
Jakob? Lebt er noch?«
»Soweit ich weiß,
ja. Pfarrer David hat gesagt, er habe ihn
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