Das letzte Treffen
Bürste.
Fuhrwerke an meinen Zähnen herum, als ginge es um mein Leben.
Ausgerechnet in dem
Augenblick muss das Handy klingeln. Das ich neben mich auf die Toilette
gelegt habe. Sehe auf dem Display, dass die Nummer nicht angezeigt wird.
Daher schrubbe ich weiter meine Zähne. Lasse das Handy klingeln, bis
es von selbst verstummt.
Das Telefon geht wieder los.
Verdammte Frechheit!
Schließlich grabsche
ich mir mit der linken Hand das Handy.
»Wer spricht da?«,
frage ich undeutlich. Schließlich habe ich den Mund voller
Zahnpastaschaum.
»Hier ist Andri
Ólafur.«
»Was für ein
verdammter Andri?«
»Andri Ólafur
Sveinsson.«
»Kennen wir uns?«
Die schäumende Zahnpasta
spritzt dabei aus meinem Mund. Direkt auf meinen nackten
Schwangerschaftsbauch. Und rinnt langsam daran herunter.
»Verdammt!«, rufe
ich automatisch. »Warte mal!«
Ich lege das Handy auf dem
Waschbecken ab. Schnappe mir ein halbvolles Wasserglas vom Regal. Spüle
mir den Mund aus. Wische den Schaum mit einem Tissue vom Bauch.
In dem Moment klingelt es bei
mir, was den Namen angeht.
Könnte das sein?
Ich nehme mein Handy wieder
in die Hand.
»Der Luxemburger-Andri?«,
frage ich.
»Ich bin Geschäftsmann
in Luxemburg, das ist richtig. Begrüßt du alle deine zukünftigen
Kunden so ungehobelt?«
Aber ich bin auch in der
Stimmung, pampig zu werden.
»Du rufst mich doch
wohl kaum an einem späten Samstagabend an, um mir Fortbildungskurse
in Etikette anzudrehen?«, antworte ich barsch.
»Nein«, sagt
Andri Ólafur. »Ich muss sehr wahrscheinlich deine
Spezialkenntnisse in Anspruch nehmen. Kannst du in einer halben Stunde zu
einem Meeting kommen?«
»Um was geht's?«
»Das wird sich beim
Treffen herausstellen.«
»Mitternacht ist nicht
unbedingt meine Lieblingszeit für Arbeitsbesprechungen. Kann das
nicht bis morgen warten?«
»Nein. Ich zahle dir
den zehnfachen Stundenlohn für die eine Stunde.«
»Aber ich bin nicht
angezogen.«
»Ich schicke dir ein
Taxi. Es steht in genau dreißig Minuten vor der Tür.«
Andri Ólafur legt auf.
Als ob die Sache klar wäre.
Ganz eindeutig ein Kerl, der
gewöhnt ist, dass er das kriegt, was er will.
Ist schon okay meinetwegen.
Dieses Mal. Weil ich mich gerade zu Tode langweile. Und zu fast allem
bereit bin.
Andri Olafur kenne ich nur
vom Hörensagen.
Er ist einer der Isländer,
die in den letzten Jahrzehnten ihr Glück im Ausland gemacht haben.
Wirtschaftlich gesehen. Er wohnt schon lange in Luxemburg. Von da aus hat
er Geschäfte mit der ganzen Welt betrieben.
Zwielichtige Geschäfte,
sagen manche.
Ich stehe schon unten in der
Diele bereit, als es an der Tür läutet.
Ziehe mir noch meinen warmen
Pelzmantel über die enge Rüschenbluse und den kurzen rotbraunen
Lederrock, der unter dem Bauch hängt wie eine Fahne auf Halbmast.
Ich liebe weiße Rüschenblusen.
Und rotbraune, weiße und schwarze Lederkombinationen.
Eine glänzende Limousine
wartet auf dem Parkplatz vor meinem Reihenhaus.
Der Fahrer schließt die
Tür des Fonds hinter mir. Setzt sich ans Steuer. Fährt ab
Richtung Weststadt. Und weiter nach Seltjarnarnes.
Ich lehne mich in den gemütlichen
Sitz zurück und schenke Andri Ólafur einen etwas
freundlicheren Gedanken.
Er weiß, was sich gehört,
der Gute. Das steht fest.
Der Fahrer parkt das Auto nah
am Strand. Vor einem großen, zweigeschossigen Einfamilienhaus.
Springt aus dem Wagen. Öffnet mir die Tür. Begleitet mich zum
Haus. Klingelt für mich an der Gegensprechanlage.
Ein großer fetter Typ
kommt an die Tür.
Der blasierte Bjarni.
»Guten Abend, Stella«,
sagt er mit seiner dunklen Stimme.
Sie scheint irgendwo aus den
Tiefen unter seiner dicken Speckschicht zu dringen.
Ich kenne Bjarni gut. Er ist
einer der vier altgedienten Anwälte, die zusammen mit dem schleimigen
Einar eine Kanzlei betreiben. Dem schmierigsten Anwalt des Landes. Der
sich nur um die Reichen und Berühmten kümmert.
»Sein Büro ist
oben«, sagt Bjarni. Und geht vor mir die Treppe hoch. Wie ein großer
Containerfrachter mit sehr langsamer Fahrt.
Der blasierte Bjarni ist
einer der fähigsten Spezialisten des isländischen Volkes in
Steuerangelegenheiten. Während seiner über vierzig jähre
langen Karriere als Anwalt hat er es besser als alle anderen verstanden, Löcher
und Gesetzeslücken in der isländischen und europäischen
Steuergesetzgebung zu
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