Das letzte Treffen
die Leichen auszugraben, die die Gesellschaft im Keller hat und gerne
ruhen lassen würde. Deshalb gründete er seine eigene
Nachrichtenseite. Den Nachrichtenblog. Eine Internetseite, die im
Handumdrehen zur Pflichtlektüre aller wurde, die darüber
informiert sein wollten, was sich hinter den Kulissen abspielt.
»Bist du schon auf der
Entbindungsstation?«, fragt er und lacht schelmisch.
»Noch nicht.«
»Mir wurde gesagt, dass
Baldvin Sigurlinnason gestern Abend das Frauenhaus aufgemischt hat, und du
hättest was mit der Sache zu tun. Was war da los?«
»Nichts, was ich dir
jetzt berichten könnte.«
»Ein Freund hat mir die
Kopie eines polizeilichen Protokolls zugesteckt«, fährt Máki
fort. »Das wird morgen früh meine Schlagzeile.«
»Das dürfte den
Knaben freuen. Und erst recht seinen Vater.«
»Ich habe mehr als
genug Stoff für einen anständigen Artikel, aber es wäre
gut, wenn ich einen Kommentar von dir kriegen könnte.«
»Mein lieber Máki,
der Fall steckt noch so in den Anfängen, dass ich dir nichts sagen
kann. Das musst du unbedingt bringen. Sonst glauben die Sesselfurzer nämlich,
ich hätte geplaudert.«
»Kein Problem, aber -
off the record - was ist da los?«
»Ruf mich in ein paar
Tagen wieder an.«
»Okay«, sagt Máki
und seufzt künstlich. Selbstverständlich nur, um mein Mitleid zu
erregen. Was natürlich nicht klappt.
»Schreibst du nicht
gerade über den neuen Mord, dass die Tastatur glüht?«,
frage ich. Um seine Aufmerksamkeit in andere Bahnen zu lenken.
»Das ist kein normaler
Mord«, antwortet er. »Ich hab das so im Gefühl.«
»Inwiefern?«
»Ich habe das junge Pärchen
ausfindig gemacht, das die Leiche gefunden hat …«
»Das junge Pärchen?«,
falle ich ihm ins Wort.
»… ja, die
beiden sind siebzehn oder achtzehn Jahre alt und sind immer noch
geschockt, aber weißt du, sie haben eine Wahnsinnsangst vor den
Bullen. Ihnen wurde klipp und klar verboten, mit Freunden und Bekannten
über den Leichenfund zu sprechen, und schon gar nicht mit
Journalisten. Das ist schon ungewöhnlich.«
»Hmmmhmmm.«
»Sie haben trotzdem
etwas an ihre Freunde durchsickern lassen, denn im ganzen Sudurnes sind
irre Geschichten im Umlauf, dass die Leiche widerlich verstümmelt
wurde.«
»Und wie?«
»Niemand will etwas
bestätigen …«
»Aber?«
»Ich bin zu dem Schluss
gekommen, dass jemand dem Kerl das Gehänge gestutzt haben muss.«
»Meinst du im Ernst
…?«
»Ja, da hat ihm jemand
die Kronjuwelen abgeschnitten und ihm in den Mund gestopft.«
»Wow.«
»Ich krieg schon beim
Gedanken daran Gänsehaut.«
»Ist das nicht etwas,
das alle Männer am meisten fürchten?«
»Dass ihnen alles
weggeschnitten wird? Ich denke schon.«
Máki stöhnt gequält.
»Was haben denn die
Jugendlichen da mitten in der Nacht gemacht?«, frage ich.
»Na, was glaubst du
wohl?«
»Du meinst…?«
»Die Teenies im
Sudurnes fahren oft da raus, damit sie sich in Frieden auf dem Rücksitz
vergnügen können. Das ist eine tolle Ecke, um ungestört
seinen Spaß zu haben, vor allem, nachdem alle Häuser abgerissen
und die Stacheldrahtzäune entfernt wurden.«
Ich beginne zu lachen. Ganz
unwillkürlich.
»Der arme Kleine«,
murmele ich.
»Was?«
»Stell dir mal vor, du
bist mit einem Mädchen da draußen und bekommst dann diesen
Wahnsinn zu sehen. Glaubst du, dass der Junge in der nächsten Zeit
einen hochkriegen wird?«
Mákis wieherndes Gelächter
hallt mir noch lange in den Ohren, nachdem ich das Telefonat beendet habe.
5. KAPITEL
Samstagabend
Eigentlich sollte ich Party
machen.
Das Beste genießen, was
das Nachtleben der Hauptstadt zu bieten hat. In den beliebtesten
Etablissements der alten Innenstadt saufen und einen draufmachen. Flirten,
stetig daran arbeiten, mir die appetitlichste Gans zu fangen, die sich
letztendlich immer geschlagen gibt. Wenn man nur lange genug sucht.
Stattdessen liege ich bis spätabends
im Wohnzimmer auf meinem Ledersofa. Alleine. Und mit dem kleinen
Menschlein, das bald auf die Welt kommt.
Alleine und völlig nüchtern.
Die Welt wird immer
schlechter.
Schließlich ertrage ich
es nicht länger, mir den Blödsinn im Fernsehen anzuhören
und -zusehen.
Hieve mich langsam aus dem
Sofa. Watschle ins Badezimmer. Spüle mir den Mund mit starkem
Mundwasser aus. Quetsche die gestreifte Zahnpasta auf die neue
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