Das letzte Vermächtnis der Templer (German Edition)
Hand am Zugang zum Marktportal auf und ab. Immer wieder schaute sie sich um, musterte die Passanten. Doch Bianca Mertens entdeckte sie nirgends.
Wollte die Killerin sie leiden lassen? Machte sie sich einen Spaß daraus, sie zu quälen?
Qualen litt Sophia ohnehin genug. Die vergangene Nacht war ohne Ergebnisse zu Ende gegangen. Der Historiker hatte die Arbeiten im Chor eingestellt. Steiner hatte durch seinen Informanten erfahren, dass der Historiker am Ende des unterirdischen Korridors auf einen tiefen Schacht gestoßen war, der mit Grundwasser gefüllt war. Ein Weiterkommen ohne entsprechende Ausrüstung war ausgeschlossen. Tyr und Wodan waren gestern nicht in Erscheinung getreten, sie verbargen sich wohlweislich im Hintergrund.
Aber Sophias Sorgen galten jetzt einzig ihrer Schwester. Erneut ging sie zum Eingang des Doms, doch dort hielten sich nur Touristen auf. Plötzlich klingelte ihr Handy, meldete einen SMS-Eingang. Sofort las sie die Nachricht. ‚Kommen Sie in die Heugasse, der graue VW-Passat. Schauen Sie im Kofferraum nach. BM‘
Sophia glaubte, ihr Herzschlag würde aussetzen. Die SMS war von Bianca Mertens, aber was hatte es damit auf sich? Eine tödliche Ahnung beschlich sie, ein Alptraum schien sie zu überfallen.
So schnell Sophia konnte, lief sie über den Liebfrauenplatz, die Domstraße entlang, die auf die Heugasse mündete. Sie brauchte keine zwei Minuten. Ihr Blick erfasste den erwähnten Wagen sofort, er stand quer auf dem Bürgersteig im Parkverbot. Sie musste sich zwingen, ruhig zu bleiben und wurde langsamer. Ihre Augen fixierten nur noch den Wagen. Es saß niemand darin. Sie näherte sich vom Heck, spähte auf die Ladefläche. Eine Plane war darüber gezogen. Darunter lag etwas.
Sophia spürte ihren Herzschlag in jeder Faser ihres Körpers pochen. Ihre Hände waren eiskalt, ihr Kopf glühte. Sollte ihr schlimmster Alptraum wahr werden? Wie in Zeitlupe öffnete sie die Heckklappe. Zögernd tastete sie mit der rechten Hand nach der Plane, während sich ihre linke Hand um den Griff des Geldkoffers verkrampfte. Einerseits wollte Sophia die Wahrheit nicht wissen. Andererseits war ihr Verlangen stärker. Ihre Finger berührten die kalte, dicke Folie. Dann hielt sie die Luft an. Mit einem Ruck riss sie die Plane zur Seite.
Sophia schrie kurz auf. Vor ihr lag eine Frau, Hand- und Fußgelenke zusammengeklebt, der Mund zugeklebt. Die Augen waren gebrochen, auf der Stirn prangte ein Einschussloch. Es war Bianca Mertens.
Entsetzt sprang Sophia zurück, stieß gegen etwas Weiches. Erneut schrie sie auf, drehte sich um. Ein Mann fing sie auf.
„Es ist alles gut, Sophia.“
„Sebastian?“
Er nahm sie sanft in die Arme, streichelte sie. „Ich bin bei dir, es ist alles gut.“
„Wo ist Vicky?“, jammerte Sophia.
„Beruhige dich“, sagte er eindringlich.
Die Mertens war tot – erschossen von Tyr. Er musste von dem Treffen erfahren haben, hatte vermutlich die Handys angezapft.
Eine Menschenmenge sammelte sich um den Wagen, Neugierige, die herumstanden und gafften. Bis Hauser gezielt einen jungen Mann in der Masse ansprach: „Sie da mit der blauen Jacke! Stehen Sie nicht dumm rum! Rufen Sie die Polizei!“
Eingeschüchtert griff der Passant nach seinem Handy und wählte den Notruf.
Sophia konnte sich kaum beruhigen. Die Tote war nicht ihre Schwester, dafür war die Ungewissheit über deren Verbleib jetzt umso größer. „Woher wusstest du, wo ich bin?“, murmelte sie.
„Dachtest du wirklich, ich lasse dich unbeobachtet nach all dem, was du abgezogen hast?“
„Du bist mir die ganze Zeit gefolgt?“
„Nein … das war nicht nötig. Fabio hat einen Sender an deinem Wagen angebracht, als du aus Vallendar wiederkamst. So wusste ich stets, wo du bist.“
Sie erinnerte sich. Basini war ihr im Fahrstuhl entgegengekommen, nachdem sie aus Wut die Suite verlassen hatte.
„Du bist immer noch so ein Dickkopf“, fügte er hinzu.
„Und du?“, konterte sie bissig.
Ohne ihr zu antworten, beugte sich Hauser auf die Ladefläche des Passats hinunter. Während er sich aufmerksam umsah, zog er sich Latexhandschuhe über. Danach berührte er die Tote.
Sophia riss sich mit aller Gewalt zusammen, um sich zu konzentrieren. Wo blieb ihre Routine? Sie musste ihre persönlichen Empfindungen verdrängen und professionell bleiben. Es galt, die Spuren zu sichern und mögliche Hinweise auf Täter und Tathergang abzuleiten.
„Sie ist seit mindestens sechs Stunden tot“, sagte Hauser. „Aber sie
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