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Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Titel: Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma Malley
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ihr alles erzählt, was passiert war. Evie, nicht ihm, seinem eigenen Bruder. Und nun erwartete jeder, dass er froh und dankbar war und sich darüber freute, dass Lucas, der ihn bereits in der Stadt in den Schatten gestellt hatte, ihn jetzt auch hier in den Schatten stellen wollte. Sogar bei Evie. Vor allem bei Evie.
    Das wollte Raffy auf keinen Fall zulassen. Er wollte Lucas vergessen, ihn ein für alle Mal aus dem Gedächtnis streichen und so tun, als ob er gar nicht existierte. Hier könnte ihm das gelingen, weil in der Siedlung niemand wusste, dass Lucas, der neue Anführer der Stadt, sein Bruder war. Hier war er einfach Raffy, er wurde nach seinen Leistungen beurteilt und konnte er selbst sein. Aber als Evie ihm Lucas’ Uhr gegeben hatte, die Uhr, die sein Vater Lucas gegeben hatte, war seine Freiheit bedroht gewesen. Er hatte gespürt, wie Panik ihn erfasste, wie sie ihm die Kehle zuschnürte, sodass er nach Luft schnappen musste. Aber er war damit fertig geworden, hatte die Uhr angenommen und sie gleich am nächsten Tag wieder weggegeben.
    Er hätte sie zerstören sollen.
    Er hätte seinen Hunger ignorieren und sie zerstören sollen.
    Raffy setzte sich aufs Bett und holte ein paarmal tief Luft. Die Uhr war nicht hier. Der Mann hatte unrecht. Alles war okay. Er musste sich beruhigen.
    Raffy hörte, wie die Türklinke heruntergedrückt wurde, und sah sich rasch im Zimmer um, ob er auch alles wieder an seinen Platz gelegt hatte. Dann stand er auf und begrüßte Evie. Sie sah ihn misstrauisch an, zog den Mantel aus und legte sich aufs Bett.
    »Ich bin so müde«, seufzte sie. »Und ich habe solchen Hunger.« Sie schaute zu Raffy hinüber und runzelte die Stirn. »Raffy? Was ist los?«
    Raffy verstand kaum, was sie sagte. Ihm dröhnte der Kopf, sein Magen zog sich zusammen, und er hatte das Gefühl, als würde sich der Boden unter seinen Füßen auftun. Sein Blick war auf die Tasche ihres Kleides gerichtet. Dort, wo ihr Taschentuch steckte, schimmerte durch den weißen Stoff unverkennbar etwas Goldenes.
    Raffy stützte sich an der Wand ab und zwang sich zu einem Lächeln, einem Lächeln, das aussah, als hätte es ihm jemand ins Gesicht gemalt. Seine Augen suchten in Evies Gesicht nach einem Hinweis, nach einer Erklärung für ihren Verrat, aber er konnte nichts entdecken.
    »Raffy?«, sagte Evie noch einmal, stand vom Bett auf und ging zur Tür. »Ist alles okay?« Sie schlich davon, als hätte sie Angst vor ihm.
    Raffy nickte. »Klar«, sagte er, schluckte seine Verzweiflung hinunter und unterdrückte seine Gefühle, damit sie ihn nicht übermannten. »Was hast du denn heute so getrieben?«

26
    Devil lehnte sich in dem weichen Ledersessel zurück und tat so, als wäre er gar nicht da. Aber er war da, und zwar schon seit Stunden, seit Thomas mit ihm hierher gefahren war, in eine Gegend mitten in London mit lauter hohen Gebäuden, wo es von Menschen in Anzügen nur so wimmelte. Thomas war auf einen Parkplatz gefahren und hatte Devil durch eine Hintertür in einen fensterlosen Versammlungsraum gebracht, und seitdem saß er dort, ließ seinen Blick umherschweifen und starrte Löcher in die Luft.
    Er wusste, wie das ging, weil er in der Siedlung die meiste Zeit auch nichts anderes tat.
    Allerdings war er nicht zum ersten Mal hier. Als Thomas ihn das erste Mal hierher gebracht hatte, hatte er ihm einen Stuhl angeboten und war dann für ungefähr eine Stunde verschwunden. Diesmal war Devil fast ausgeflippt, war auf und ab gelaufen und hatte versucht, die Tür zu öffnen. Sie war abgeschlossen, und er hatte sich gefragt, ob Thomas irgend so ein durchgeknallter Psychopath war, dem es Spaß machte, Leute einzusperren. Doch kurz bevor Devil tatsächlich in Panik geriet, war Thomas zurückgekommen, hatte ihm ein Bündel Geldscheine in die Hand gedrückt, ihm Fragen über Gott und über die Bibel gestellt und ihm erklärt, dass die Menschen Anleitung bräuchten, dass man sie begeistern und ihnen das Gefühl geben müsse, dass es sich zu leben lohnte. Sie hatten ewig lange geredet, mindestens zwei Stunden, und dann waren sie gegangen. Das war alles gewesen. Devil war irgendwie überrascht gewesen, aber er beklagte sich nicht und wollte auch nicht zu viele Fragen stellen.
    Dieses Gebäude war irgendwie seltsam. Vielleicht lag es daran, dass man so hoch oben war – sie waren mit dem Aufzug in den fünfzigsten Stock gefahren. Hier oben hatte man das Gefühl, als würde der Rest der Welt hier keine Rolle spielen, als wäre alles

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