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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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    »Es tut mir so leid«, sagte er wieder und wieder. »Es tut mir so unendlich leid. Du hast die Babys wegen mir verloren. Der Schock – ich weiß, dass ich dir das angetan habe, und ich kann es mir nicht verzeihen. Bloß gib mir bitte eine Chance, es bei dir wiedergutzumachen. Bitte, Betty!« Und zum ersten Mal seit sie ihn kannte, weinte er.
    Reflexartig streckte sie die Hand aus, um über seinen Kopf zu streichen, und bei ihrer Berührung sah er zu ihr auf und hatte diesen Blick in den Augen. Sie sah ihn an, beobachtete die Scham und die Hoffnung in seinen Augen und merkte, wie etwas in ihr sich erweichte. Ihr Nicken war kaum wahrnehmbar, aber es reichte. Sein Gesicht zerschmolz vor Dankbarkeit, und er stieg neben sie ins Bett und schmiegte sich an sie, bis sie beide einschliefen.
    Sechs Monate später zog sie mit ihm nach Sounder. Es war ein Kompromiss, wie ihn Bobbie vorgeschlagen hatte, und es bedeutete eine Zäsur, die den Anfang ihres neuen Zusammenlebens markierte, ihrer neuen Bindung aneinander. Betty wollte nicht nach Alaska gehen – es war zu weit von Seattle und ihrer Familie entfernt, die ihr jetzt, da sie mit der Möglichkeit konfrontiert wurde, ein Leben ohne eigene Kinder führen zu müssen, mehr als je zuvor bedeutete. Und Sounder bot das Abenteuer, nach dem sich Bill sehnte. Es war ein Ort, der in mancher Hinsicht sogar noch abgelegener und wilder war als Anchorage. Sie würden eine Farm haben, und sie würden zusammenarbeiten. Und, dachte Betty, wobei sie dies nicht einmal Bobbie gegenüber erwähnte, auf Sounder würde es weniger Versuchungen geben.
    Sechs Monate lang lasen sie Bücher über Landwirtschaft und Gartenbau und blätterten in staatlichen Broschüren über Hühnerzucht. Bill wollte außerdem Ziegen als Milchlieferanten halten. Sie sparten, so viel sie konnten. Bill kannte über mehrere Ecken jemanden, der auf Orcas Island wohnte und gelegentlich nach Sounder fuhr und nun für sie Augen und Ohren offenhielt. Eines Tages rief er an, um ihnen mitzuteilen, dass er von einer hübschen kleinen Farm an der Westküste von Sounder gehört habe, die zum Verkauf stehe.
    Sie hinterlegten unbesehen eine Kaution – wie Betty fand, ein äußerst gewagter Schritt. Die Farm lag in einer geschützten Bucht und bestand aus einem weißen Cottage, einer Scheune und zweiunddreißig Hektar Wald- und Ackerfläche. Sie benachrichtigten ihren Vermieter, verkauften ihre Möbel und packten zwei Reisetaschen mit ihrer Kleidung, ihren Schuhen und der blau-weißen Zierdecke, die ihnen Grammy zur Hochzeit genäht hatte. Bobbie brachte sie noch an den Landungssteg in der Innenstadt. Sie hatten die Möglichkeit, mit einem Fischerboot nach Friday Harbor zu fahren, und von dort aus würden sie mit dem Postschiff nach Sounder kommen.
    Bobbie umschloss Bettys Gesicht mit den Händen. »Viel Erfolg bei deinem Unternehmen«, sagte sie. »Ich hab’ dich lieb. Arbeite nicht zu hart und mach keinen Mist.« Beim zweiten Halbsatz nickte sie zu Bill hin, der ihre Taschen auf das Schiff brachte. »Ich weiß, dass du das willst, darum stehe ich hinter dir.« Sie lehnte sich weiter vor und flüsterte Betty ins Ohr: »Und falls du ihn aus irgendeinem Grund verlassen und nach Hause kommen willst, kannst du immer gern bei mir wohnen.«
    Als Bill zu ihnen kam, um zu sagen, dass es Zeit sei, an Bord zu gehen, wandte sich Bobbie ihm zu. »Pass auf meine Schwester auf«, sagte sie. »Pass gut auf sie auf!«
    Bill sah ihr in die Augen, nickte und legte seinen Arm schützend um Bettys Schultern. »Das werde ich«, versprach er.
    Betty war auf die Einsamkeit vorbereitet, die wie ein Messerstich in sie eindrang, als die Skyline von Seattle aus ihrem Blick entschwand, und auch auf die Angst. Aber erst als sie sich zu ihrem Mann umdrehte, der neben ihr stand und sich mit den Händen auf die Reling stützte, merkte sie, wie zornig sie war und dass sie keine Ahnung hatte, was sie mit all ihrer Wut anfangen sollte.
    Sie blieb den größten Teil der nächsten sechs Monate wütend, obwohl sie gar nicht so wütend sein wollte. Bill und sie hatten ausführlich über diesen Umzug gesprochen. Sie hatte zugestimmt. Ja, in gewisser Weise war es sogar ihre Entscheidung gewesen, denn sie war auf die Idee mit den San Juan Islands gekommen, nachdem sie einen Abend lang eine Landkarte abgesucht hatte in dem Wissen, dass sie niemals nach Alaska ziehen würde und dass Bill wegmusste.
    Sie würde keine Kinder mehr bekommen – davon war sie überzeugt,

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