Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
musste sie schreien, um das Pfeifen des Windes und das rhythmische Aufschlagen des Bootes auf dem Wasser zu übertönen.
»Ich bin in Kuala Lumpur aufgewachsen. Mein Vater war Lehrer und Historiker. Zum Geburtstag wünschte ich mir ein Buch und bekam einen Band aus der bekannten Life-Nature -Reihe über das Meer. So wurde meine Begeisterung für die Natur geweckt, aber damals galt das noch nicht so viel wie heute. Ich wurde Fluglehrer und las weiter viel über mein Interessengebiet. Außerdem machte ich Luftbildvermessungen für Naturschutzorganisationen.«
»Christopher ist auch Pilot«, bemerkte Julie.
»Nur dass er Jets fliegt«, erwiderte Aidi. »Meine Flugerfahrung ist da bescheidener. Als ich mit Schädlingsbekämpfung aus der Luft zu tun hatte, fiel mir auf, dass die Chemikalien indirekt die Küstengewässer belasten. Da beschloss ich, die Fliegerei an den Nagel zu hängen, studierte und suchte Arbeit im Umweltschutz. Ich kam nach Langkawi, verliebte mich in die Insel und fand in einem Ferienzentrum Arbeit als Naturforscher, konnte also aus meinem Hobby einen Beruf machen. Später lernte ich den Manager einer neuen Fünf-Sterne-Ferienanlage kennen, die sehr nah an einem Mangrovenwald entstehen sollte. Ich sprach ausführlich mit ihm darüber, welche Auswirkungen eine so große Siedlung in unmittelbarer Nähe der Mangroven haben würde. Das Ende vom Lied war, dass ich eine Stelle als Naturschützer für diese Anlage bekam und eng mit den Bauunternehmern zusammenarbeitete. Nun, da die Anlage fertig ist, versuche ich etwas zur Unterhaltung, aber auch zur Bildung der Gäste beizutragen.« Er lächelte. »Das war meine Lebensgeschichte in Kurzform.«
Vom Boot aus wies er auf einige diskret abgeschirmte Gebäude zwischen Bäumen hinter einem Sandstrand. »Das ist meine Feriensiedlung. Den Eigentümern liegt der Naturschutz wirklich am Herzen.«
Nach einiger Zeit bog das Boot in einen Mangrovenwald, der sich an der Küste entlangzog, und schlängelte sich eine Stunde lang durch enge Seegatten. Hin und wieder hielt Jan an, und Aidi sprach über die Bedeutung der Mangroven nicht nur für das lokale Ökosystem, sondern weltweit.
»Dieser Wald ist eine Brücke, die Meer und Land nicht nur verbindet, sondern eine enge Verflechtung bewirkt. Mangroven tragen vielleicht noch mehr zur Reinigung des Planeten bei als der Regenwald.«
»Wie kommt das?«, fragte Julie.
»Ein Hektar natürlicher Mangrovenwald bindet hundert Kilo Kohlenstoff aus der Luft. Außerdem filtern Mangroven das Wasser. Wenn Mangrovenwälder zerstört werden, steigt der Salzgehalt der Flüsse noch weit flussaufwärts. Die Mangrovenwälder sind Lebensraum und Kinderstube für Fische und Krustentiere und bieten auch Vögeln, Affen und anderen Wildtieren Zuflucht. Wenn die Mangroven verschwinden, kommt es rasch zu einer Erodierung der Küste, weil sie das Land vor Flut- und Sturmschäden schützen. Jahrhundertelang haben sie auch der einheimischen Bevölkerung viel Nützliches geliefert, aber jetzt …« Er hob verzweifelt die Schultern.
»Jetzt ist dieser Lebensraum bedroht«, ergänzte Julie. »Ehrlich gesagt, überrascht mich das nicht, wenn ich an die Naturzerstörung in Sarawak denke.«
»Ja«, erwiderte Aidi. »Leider hat es zu lang gedauert, bis die Menschen den Wert der Mangroven erkannt haben. Sie sind kein nutzloses Brachland, sondern wie der Regenwald ein wesentlicher Teil des Ökosystems.«
»Das ist wahr, doch sie werden meist als hässliche Sümpfe empfunden, die man trockenlegen muss«, warf Christopher ein.
»Aber hier unter den Mangrovenbäumen ist es wunderschön«, erklärte Julie. »So etwas hab ich noch nie gesehen. Vom Meer aus wirken sie düster, ein Wirrwarr von Wurzeln mit einem grünen Baldachin, und der graue Schlamm stinkt. Aber wenn man durch diese kleinen Kanäle fährt, ist man in einem Zauberreich! Findest du nicht, Christopher?«
»Da hast du recht. In Queensland habe ich mit Freunden im Watt Krabben gefangen, aber erst später habe ich mir mal einen Mangrovenwald von innen angesehen und gemerkt, wie faszinierend er ist.«
Aidi lächelte, während das Boot leise weitertuckerte. Jan hockte an der Ruderpinne, offenbar kannte er jeden Zentimeter dieser Kanäle.
»Auf Langkawi gibt es ein paar richtig schicke Golfplätze, aber wenn sie Düngemittel benutzen, werden die Chemikalien ins Meer gespült, und die Toxine verursachen die sogenannte rote Flut. Dann kann man den Fisch und die Krustentiere nicht mehr essen.
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