Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Jagdausflügen teil. Ich hatte allerhand seltsame Haustiere und spielte mit den Kindern aus dem Kampong.
Mutter hat mich zu Hause unterrichtet. Zwar gab es im Palast eine Schule für privilegierte Kinder wie mich, doch weil Mutter wusste, dass ich irgendwann auf ein englisches Internat musste, wollte sie mich so lange wie möglich um sich haben. Damals lebten nur ungefähr dreißig Europäerinnen in der Umgebung von Kuching, und in unserer Gegend war sie die einzige Weiße. Ich vermute daher, dass sie sich ohne mich einsam gefühlt hätte. Aber bevor ich aufs Internat geschickt werden konnte, brach der Krieg aus …« Marjorie schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: »Und danach war das Leben nie wieder wie zuvor.«
»Diese Brookes, die weißen Radschas, sind ja anscheinend eine ganz erstaunliche Familie. Erinnern Sie sich an sie? Ich habe die Gebäude gesehen, die sie in Kuching errichtet haben«, sagte Julie.
»Es freut mich, dass Sie in Sarawak waren. Auch wenn sich seit meiner Jugend viel verändert hat, ist es immer noch schön dort. Ja, ich erinnere mich sehr genau an Sir Charles Vyner Brooke. Er war ein bezaubernder alter Herr, überaus höflich und zuvorkommend. Wenn meine Eltern und ich nach Kuching kamen, ein paarmal im Jahr, hat er uns stets eingeladen. Er wusste immer meinen Namen und hat sich nach meinen Brüdern erkundigt. Hin und wieder wurden wir zum Dinner in den Palast gebeten. Der Radscha schien nichts dagegen zu haben, dass meine Eltern mich mitbrachten.
Er sagte immer, dass alle Europäer, die für ihn arbeiteten, für jedermann ansprechbar sein sollten. Die Einheimischen sollten sich direkt an sie wenden können, und auch an den Radscha selbst. Also kamen jeden Abend die Dayak, die Malaien und die Chinesen in den Palast und schilderten ihm, was sie auf dem Herzen hatten. Er lud die Dayak sogar ein, mit ihm zu trinken. Aber um acht ertönte ein Signalschuss, und das hieß, dass es Zeit für das Dinner des Radschas war und alle gehen mussten. Dann begaben wir uns zum Palast, um mit ihm zu essen. Solche Erinnerungen vergisst man sein Lebtag nicht.«
»Und nach dem Krieg sind Sie wieder nach Großbritannien gegangen? Ich weiß von Peter und Shane, dass Sie Familie haben. Haben Sie Enkel?«
»Oh, ja, scharenweise in Schottland. Ein paar von ihnen haben schon ihre Ferien hier bei mir verbracht, weil ich die kalten Winter in Schottland hasse, aber natürlich empfinden sie für diese Insel nicht das Gleiche wie ich.«
Die beiden Frauen hatten es sich an dem Tisch unter dem Ventilator gemütlich gemacht und saßen mit dem Rücken zum strahlend weißen Sand und dem blauen Meer.
»Wenn man sich diese friedliche Szenerie ansieht, rückt der Krieg bestimmt in weite Ferne. Oder spukt Ihnen diese Zeit noch im Kopf herum?«, fragte Julie vorsichtig.
»Spuken ist nicht der richtige Ausdruck. Ich habe viele Jahre lang kaum darüber gesprochen. Aber was spielt es jetzt noch für eine Rolle? Seltsamerweise erinnere ich mich gar nicht, wann der Krieg eigentlich angefangen hat. Aber ich weiß noch, dass meine Eltern glaubten, wir könnten an dem Fluss, wo wir lebten, einfach das Ende des Krieges abwarten, weil er ihnen so weit weg schien. Dann wurde ihnen klar, dass sie, wenn sie im Landesinneren blieben, das Leben der Dayak gefährdeten, die sie sehr gernhatten. Wenn die Japaner herausgefunden hätten, dass sie uns Unterschlupf gewährten, hätten sie sie hart bestraft. Also traf mein Vater die Entscheidung, dass wir uns stellen würden. Wir gingen nach Kuching, und mein Vater wurde in ein Gefangenenlager gebracht und Mutter und ich in ein anderes.«
»Wie schrecklich«, sagte Julie und stellte sich vor, wie sie sich als Zwölfjährige gefühlt hätte, wenn man sie auf so brutale Weise von ihrem Vater getrennt hätte.
»Dass ich überhaupt überlebt habe, war ein großes Glück. Deshalb hadere ich nicht mehr mit meinem Schicksal, aber manchmal weckt irgendeine Kleinigkeit Erinnerungen in mir. Was sich mir am meisten eingeprägt hat, sind aber nicht die japanischen Soldaten, die uns bewacht haben, obwohl man sie eigentlich nicht vergessen kann, sondern die gefangenen Frauen, die so mutig und erfinderisch waren und mit allen Mitteln versuchten, sich nicht unterkriegen zu lassen. Frauen wie meine Mutter, die den Kleinen Essen besorgten, sie beschäftigten und die Hoffnung am Leben hielten. Das war bestimmt nicht leicht. Sie hungerten, sie behaupteten sich gegen die Japaner, und sie kämpften
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