Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
dem schicken Fischrestaurant hielten sie an.
»Du könntest heute doch noch dein Seeungeheuer zum Abendessen bekommen«, meinte Julie, als Christopher ihr aus dem Buggy half. Vorbei an lodernden Fackeln gingen sie in das Restaurant und wurden zu einem Tisch in einem Separee geführt, abseits der großen überdachten Terrasse mit den glänzenden Holz- und Rattanmöbeln.
Dort saß bereits Marjorie, zurückgelehnt mit Seidenkissen im Rücken. Sie hatte das Haar zu einem Kranz hochgesteckt und trug ein auffällig dunkelrot und grün gemustertes Top, das zu ihren funkelnden grünen Ohrringen passte. Ihre sorgsam manikürten Nägel waren dunkelrot lackiert, und an ihrem Handgelenk klirrten goldene Armreife. Sie lächelte Peter und Shane herzlich an, die sich über sie beugten und sie mit einem Kuss begrüßten.
»Verzeiht mir, dass ich nicht aufstehe und euch alle umarme. Martine, meine Liebe, elegant wie immer! Und Sie müssen Julie sein. Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir.«
»Ich bin Christopher, ein Freund der Familie«, sagte Christopher, als er ihr die Hand schüttelte.
»Sie sind also auch Australier?« Marjorie sprach mit einem dezenten britischen Akzent.
»Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, dass Sie hergekommen sind«, sagte Julie schüchtern. »Um mich zu treffen, meine ich.«
»Liebes Mädchen, in diesem Hotel abzusteigen ist ja nicht gerade eine Zumutung.« Marjorie wies mit einer ausladenden Geste auf das Restaurant, den Park und den erleuchteten Sandstrand. »Hier bin ich liebend gern, in diesem eleganten Ambiente, wo man sich so rundum verwöhnen lassen kann. Aber ich hoffe doch sehr, dass Sie mich mal in Penang besuchen. Es ist so eine interessante Stadt. Kennen Sie Penang, Christopher?«
»Aber ja. Ich arbeite in Butterworth«, antwortete er lächelnd.
»Dann ist es für Sie ja nur ein Katzensprung. Kommen Sie doch auch mal bei mir vorbei, junger Mann. So, Julie, und jetzt erzählen Sie mir alles von sich.«
Während der Champagner eingeschenkt wurde und die anderen die Speisekarte konsultierten, schilderte Julie in aller Kürze ihr Leben in Australien. Dann berichtete sie, dass ihre Mutter bis vor kurzem nicht gewusst hätte, dass Margaret und Philip im Krieg getrennt worden waren und Philip etliche Jahre mit Bette in einem japanischen Kriegsgefangenenlager verbracht hatte.
Marjorie nickte und musterte Julie nachdenklich. »Das war also ein Familiengeheimnis. So etwas haben wir wohl alle.«
»Wir wussten nicht einmal, dass wir ein Familiengeheimnis hatten!«, rief Julie.
»Früher hat man häufig versucht, das Gesicht zu wahren, indem man über bestimmte Dinge nicht sprach. Außereheliche Kinder, Kinder, die von anderen Familienmitgliedern oder sogar von Fremden aufgezogen wurden. Sex, Liebe, Geld, Religion, Politik – die Triebkräfte für absonderliches menschliches Verhalten, nicht wahr?« Marjorie hob ihr Champagnerglas. »Auf Ihr Wohl, meine Liebe. Ich hoffe, ich kann Ihnen mit meinen begrenzten Möglichkeiten helfen.«
»Was findest du besser, Marjorie, die alte Sitte, Geheimnisse zu hüten und seine Leichen im Keller zu haben, oder die neue Mode, die schmutzige Wäsche in aller Öffentlichkeit zu waschen?«, wollte Peter wissen.
Marjorie zog die Nase kraus. »Ich hasse es, wenn die Leute ihr Privatleben im Fernsehen ausbreiten. Aber ich muss sagen, am Ende ist Ehrlichkeit die beste Politik. Geheimnisse kommen letztlich doch irgendwie ans Licht. Aber, Julie, wenn Sie mehr über meine Kriegserlebnisse erfahren wollen, können wir uns doch vielleicht morgen weiter unterhalten? So, und was bestellen wir jetzt zu essen? Die Küche ist wirklich hervorragend.«
Als sie nach dem Essen in dem Elektrobuggy saßen, waren sich Julie und Christopher einig, dass sie schon lange nicht mehr einen so vergnüglichen Abend verbracht hatten. Marjorie war eine Seele von Mensch, die einen zum Lachen und zum Nachdenken brachte, so dass man nur hoffen konnte, eines Tages, wenn man selbst jenseits der achtzig war, genauso warmherzig, freundlich, amüsant und gescheit zu sein.
»Ich werde auf jeden Fall mal bei ihr vorbeischauen, wenn ich das nächste Mal in Penang bin«, meinte Christopher.
»Sie empfängt bestimmt gern so attraktiven Herrenbesuch«, scherzte Julie. »Im Krieg muss sie einiges durchgemacht haben, und trotzdem ist sie nicht verbittert, sondern hat offenbar ein großes Herz.«
»Dass sie so jung war, hat es ihr sicher etwas leichter gemacht. Shane und Peter haben mir erzählt, dass
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