Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
war. Jeder bekam eine kleine Kelle von dem süßen Reisgericht, und sie aßen langsam, um den Geschmack so lange wie möglich zu genießen.
Marjorie umarmte Bette. »Wie kann ich dir nur danken? Das ist ein Geburtstag, den ich nie vergessen werde.«
»Ich habe noch ein kleines Geschenk für dich, von Philip und mir.« Sie reichte Marjorie ein gefaltetes Blatt Papier. Das Mädchen klappte es auf und sah, dass es eine selbstgemachte Geburtstagskarte war, verziert mit der Zeichnung von einem dünnen, langhaarigen Mädchen und einem kleinen Jungen mit Essstäbchen und zwei Reisschalen.
Marjorie kamen die Tränen. »Wie wunderschön! Das sind Philip und ich, oder? Ich werde es verstecken und für immer aufbewahren. Danke, Bette, danke, Philip.«
Der kleine Junge umarmte Marjorie. »Du darfst mit Lumpy spielen.« Und er überreichte ihr das kostbare Spielzeug.
Sie küsste den kleinen blauen Elefanten. »Also, das ist eine Ehre. Und vielleicht werden wir eines Tages ja richtige Elefanten sehen.«
»Und Orang-Utans im Dschungel«, lachte Bette.
»Na, ich hab genug davon, im Dschungel rumzulaufen«, bemerkte eine der Frauen leise.
»Ich würde lieber unter wilden Tieren sein als hier«, flüsterte eine andere.
»Heute ist Marjories Geburtstag, und das Fest hat uns alle wieder aufgemuntert«, sagte Bette laut. »Lasst uns unsere Lieblingslieder singen.«
Wie immer hob das die Stimmung der Frauen und Kinder, und weil es Marjories Geburtstag war, sangen sie nur umso lauter.
Später am Abend bedankten sich Evelyn und Marjorie noch einmal bei Bette.
»Ich brauche noch ein Versteck für die Karte und die anderen Sachen«, sagte Marjorie.
»Warum nähst du sie nicht in dein Kissen? Dort werden die Japaner nicht suchen. Komm, ich mache das für dich«, bot Bette an. Als sie Marjorie das kleine Kissen zurückgab, flüsterte sie: »Unser kleines Geheimnis.«
Bette lag auf dem Bett, und Philip kuschelte sich an sie. Er schlief tief und fest, sein Kopf ruhte auf seinem Elefanten. Sie sah auf Evelyn, die neben ihr lag.
»Ich spüre sein winziges Gerippe, jeden einzelnen zerbrechlichen Knochen, wie bei einem Vogel. Und er atmet so flach und ist so blass. Er hat einfach nicht mehr die Kraft, die er mal hatte. Der Kleine ist unterernährt, aber ich weiß nicht, wie ich ihm helfen soll.«
»Bette, du kümmerst dich so gut um Philip. Seine eigene Mutter könnte nicht mehr für ihn tun.«
»Evelyn, ich fühle mich so hilflos. Ich kann einfach nicht fassen, wie wir in diesen Schlamassel geraten sind. Der Überraschungsangriff der Japaner, der vergebliche britische Widerstand, dieses schreckliche Chaos in Singapur. Ich konnte nicht einmal die nötigsten Sachen mit ins Lager bringen. Wenigstens konnten du und Marjorie etwas mitnehmen. Ich hatte nur meine Handtasche mit ein wenig Geld und Kosmetik dabei. Es war so wenig. Und jetzt habe ich nichts mehr zu verkaufen und bin fast pleite.«
»Ja, du hast es nicht leicht. Aber es scheint, als hätten hier ein paar Frauen durchaus Wertsachen und Einfluss. Für sie ist das Leben längst nicht so schwer wie für dich. Diese grässliche Hannah Lampton zum Beispiel. Nur weil ihr Mann ein reicher Plantagenbesitzer war, erwartet sie hier im Lager eine respektvolle Behandlung. Sie kauft bei den Händlern, das steht fest, aber sie selbst siehst du nie am Zaun. Das lässt sie andere für sich erledigen.«
»Ich weiß. Trotz all dem Gerede vom Zusammenhalt im Lager ist sie überzeugt, dass hier jeder für sich allein kämpft.«
Bevor sie am nächsten Tag in die Küche mussten, erzählte Bette Evelyn, dass ihr nach dem nächtlichen Gespräch eine Idee gekommen war. Und dann ging sie zu der Baracke, in der Hannah Lampton lebte. Hannah war eine wohlgenährte Frau, die offensichtlich genug zu essen hatte. Auch war sie modisch gekleidet, und ihre Schuhe sahen aus wie neu. Sie saß im Schatten vor der Baracke auf einem handgefertigten hölzernen Stuhl, den sie sich über einen Händler beschafft haben musste.
»Meine Krampfadern! Die Beine und Knöchel sind so geschwollen, dass ich einfach nicht arbeiten kann«, erklärte sie, als Bette auftauchte.
Bette nickte. »Wir haben alle unsere Probleme«, sagte sie. »Aber da heißt es, Kopf hoch und weitermachen, nicht wahr?«
Hannah runzelte die Stirn, sie witterte eine versteckte Kritik in Bettes Worten. Aber sie blieb sitzen und hörte sich an, was Bette zu sagen hatte, und als diese meinte, sie müsse jetzt zum Kochhaus, faltete Hannah die Hände
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