Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
brauchen. Aber ich stehle nicht. Ich nehme mir dafür weniger vom gekochten Reis. Und Philip wächst so schnell, seine Arme und Beine sind so dünn.«
»Nun gut, heute Abend gibt es für uns alle Hühnersuppe. Ich lade noch ein paar andere zum Mitessen ein«, sagte Evelyn.
»Ich wünschte, ich hätte etwas zu verkaufen«, seufzte Bette. »Alles, was ich hatte, habe ich für ein Moskitonetz und Kleidung für Philip ausgegeben. Und mittlerweile sind ihm seine Schuhe fast zu klein. Wenn wir nur etwas hätten, woraus wir Schuhe machen könnten.«
»Vielleicht Gummi? Ich habe in den Dörfern Kinder gesehen, die Schuhe aus Gummiresten trugen«, sagte Evelyn. »Sicher finden wir jemanden, der so etwas auftreiben kann. Es wäre jedenfalls einen Versuch wert.«
»Wer weiß, was aus den Kautschukplantagen geworden ist? Ich frage mich, wie es auf der Plantage meines Schwagers aussieht und wie es seinen Leuten ergangen ist. Wenn die Japaner dort sind, kümmern sie sich bestimmt nicht um die Bäume. Ach, es ist zu traurig, darüber nachzudenken«, meinte Bette. »Aber da wir gerade über die Japaner sprechen: Ist dir aufgefallen, dass die Soldaten von ihrem Kommandanten, Major Sakura, nicht gerade gut behandelt werden? Er schreit sie dauernd an und schlägt sie ins Gesicht. Vielleicht machen die das auch irgendwann nicht mehr mit.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie leben zehnmal so gut wie wir«, entgegnete Evelyn. »Und ich halte diese überraschenden Durchsuchungen bald nicht mehr aus. Ich verstehe einfach nicht, was die hier finden wollen. Als ob wir Waffen oder Funkgeräte versteckt hätten, oder glauben sie, wir graben einen Fluchttunnel? Und währenddessen müssen wir stundenlang in der glühenden Sonne stehen. Das ist unmenschlich.«
Bette antwortete nicht. Es gab ein paar Geheimnisse im Lager, von denen nur eine kleine Gruppe Frauen wusste. Bette war eine von ihnen. Sie hielten es für unabdingbar, ihre Erfahrungen im Lager festzuhalten, und schrieben ein Tagebuch. Auch Bette hatte ein paar Einträge verfasst und sie durch Zeichnungen ergänzt. Papier war schwer aufzutreiben, doch eine der Frauen hatte es geschafft, etwas von den Japanern zu stehlen. Sie hielten das Tagebuch an wechselnden Orten versteckt. Alle Beteiligten waren sich darüber im Klaren, dass sie hart bestraft würden, wenn man es fand, nahmen das Risiko aber auf sich. Eines Tages würden sie freikommen, und dann würde die Welt erfahren, was sie durchgestanden hatten.
»Marjorie hat bald Geburtstag«, wechselte Evelyn das Thema. »Kann man da vielleicht etwas organisieren? Sie wird dreizehn, und eigentlich hatten wir uns diesen Tag anders vorgestellt.«
»Ich rede mal mit Babs und den anderen. Vielleicht können wir ja was auf die Beine stellen«, meinte Bette. »Ich finde, wir sollten Marjories Geburtstag unbedingt feiern. Für sie ist das wichtig, und gleichzeitig zeigen wir den Japanern, dass wir uns nicht ständig von ihnen einschüchtern lassen.«
Den Frauen in Bettes Baracke gefiel die Idee, ein Fest zu feiern, und sie beteiligten sich begeistert an der Planung einer Überraschungsparty. Ein Abendrock aus changierendem Taft und ein eng genähtes Oberteil wurden zum passenden Partyoutfit für Marjorie, und eine glitzernde Haarklammer war die Krönung des Ganzen.
»Ich weiß, sie ist noch ein Kind«, sagte Norma. »Aber was soll’s, gib ihr das.« Sie reichte den Rest eines kostbaren Lippenstifts herüber. »Eine Art Symbol für den Spaß, den sie noch haben wird, wenn sie hier rauskommt.«
»Wenn wir ihr nur einen Kuchen machen könnten«, klagte Evelyn. »Es ist einfach keine richtige Geburtstagsparty ohne Kuchen.«
Die Kinder freuten sich über das Fest und waren begeistert von den in Bananenblätter gewickelten Fruchtstücken, die ihnen als kleine Geschenke überreicht wurden. Aber die Überraschung war perfekt, als Bette aus der Küche kam und in den Händen eine Schale mit einer »Kerze« hielt. Diese bestand aus einem kleinen Stab, umwickelt mit einer Schlingpflanze, als Docht diente getrocknetes Gras.
»Happy birthday to you, happy birthday, dear Marjorie …« Bette sang, und die anderen stimmten ein. Die herausgeputzte, strahlende Marjorie pustete die selbstgebastelte Kerze aus.
»Wünsch dir was«, sagte Bette leise.
»Was ist das?«, fragte Marjorie. »Das duftet köstlich.«
»Gula-Melaka-Pudding! Ein Geburtstagspudding«, lächelte Bette und freute sich, dass ihr das Kokosnuss-und-Reis-Dessert so gut gelungen
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