Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Großtante zu erfahren. Damit man uns hereinließ, habe ich diese kleine List gebraucht. Ich hoffe, Sie verzeihen mir meine Flunkerei, die übrigens ganz und gar auf meine Kappe geht.«
Carlas Mundwinkel zuckten. »Verstehe.«
»Es tut mir leid, dass wir Ihre Zeit vergeudet haben …«, setzte Julie an, doch Carla hob abwehrend die Hand.
»Ich wollte Sie doch nicht kennenlernen, weil Sie hier heiraten wollen, sondern wegen Ihrer Tante. Wir haben eine Menge Informationen hier. Rose Mansion ist auch heute noch wichtig für die Familie. Ich wohne in den Privaträumen.«
»Es gibt also Informationen über Bette?«, hakte Julie nach. »Hat sie wirklich hier gelebt, nachdem sie Tony Tsang geheiratet hatte? Haben Sie vielleicht sogar Fotos von ihr?«
Wieder nickte Carla. »Ja, die haben wir. Und ich weiß über Ihre Tante und Tony Tsang Bescheid.« Sie beugte sich vor und nahm Julies Hand. »Tony Tsang war mein Großvater. Also sind wir wohl Cousinen dritten Grades.«
Als Christopher Julies verblüffte Miene sah, brach er in schallendes Gelächter aus. »Himmel, du hast hier bald mehr Cousinen und Cousins, als du an den Fingern abzählen kannst!«
»Ich fasse es nicht. Sie sind die Enkelin von Tony Tsang? Und dieses Haus, dieses Leben … das muss ja eine Umstellung für Großtante Bette gewesen sein.« Zwischen dem Haus in Brisbane, in dem Bette aufgewachsen war, und diesem Palast schienen Welten zu liegen.
»Sie haben sicher tausend Fragen«, sagte Carla. »Ich habe mich schon oft gefragt, ob nicht irgendwann mal jemand aus Australien neugierig auf uns sein würde. Am liebsten würde ich mit Ihnen die ganze Familiengeschichte durchgehen, Julie, aber bedauerlicherweise habe ich gleich einen wichtigen Termin.«
»Entschuldigung, dass ich einfach so hereingeplatzt bin. Und leider fliege ich schon morgen zurück nach Australien. Aber vielleicht könnten wir schriftlich in Verbindung bleiben?«
Carla beugte sich zu ihr. »Julie, ich glaube, Sie haben nicht ganz verstanden«, sagte sie sanft. »All die Fragen, die Sie zu Por Por haben, sollten Sie ihr selbst stellen.«
»Wer ist Por Por?« Julie war verwirrt.
»So nennen wir Bette. Es bedeutet Großmutter, und das ist sie auch für uns, obwohl sie streng genommen unsere Stiefgroßmutter ist.«
Neugierig beugte Christopher sich vor. »Carla, wollen Sie damit sagen, dass Julies Großtante Bette noch lebt?«
Carla nickte. »Ja. Natürlich ist sie keine junge Frau mehr, aber geistig ist sie hellwach, und sie zeichnet und malt auch noch. In Kürze feiern wir ihren neunzigsten Geburtstag.«
»O mein Gott! Wo ist sie?« Julie sah sich um, als rechnete sie damit, Bette ins Zimmer hereinspazieren zu sehen. Sie zitterte vor Aufregung, und Christopher nahm ihre Hand. »Ist sie hier in Penang?«
Carla schüttelte den Kopf. »O nein. Als sie älter wurde, packte sie das Heimweh, und sie ging zurück nach Australien.«
»Sie lebt in Australien?«, fragte Julie ungläubig.
»Ja, in Cairns. Alle Mitglieder unserer Familie besuchen sie dort gern und häufig.«
»Cairns. Warum ausgerechnet Cairns?«
»Sie mag das Klima. Nach all den Jahren in Malaysia könne sie nicht mehr weiter südlich als Cairns leben, hat sie gesagt. Es wäre ihr überall sonst zu kalt, sogar in Brisbane. Und sie lebt immer noch in ihrer eigenen, sehr hübschen Wohnung.«
»Und sie malt auch noch, haben Sie gesagt?« Julies Stimme war nur mehr ein Flüstern.
»Ja, die australische Flora inspiriert sie. Vor allem die Orchideen, die in North Queensland wachsen. Ich schreibe Ihnen mal ihre Adresse auf.« Carla ging aus dem Zimmer.
Julie sah Christopher an. »Zwick mich. Das glaube ich einfach nicht. Meine Güte, wenn Mum das erfährt, wird sie sich gar nicht mehr einkriegen.«
Er drückte sie kurz an sich. »Ich freue mich so für dich. Wahrscheinlich fährst du schnurstracks nach Cairns, sobald du wieder in Australien bist?«
Julie schüttelte den Kopf. »Ich muss mit Mum darüber reden. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät – womöglich will Bette sich ja gar nicht mit uns treffen.«
»Unsinn. Bestimmt freut sie sich riesig, dich und deine Mum kennenzulernen.«
»Vielleicht rufen wir sie vorher an«, überlegte Julie. »Oder wir schreiben ihr.«
Carla kam mit einem Zettel zurück und reichte ihn Julie, die sofort einen Blick auf die Adresse warf.
»Ja, am besten schreiben wir ihr vorher. Hoffentlich willigt sie ein.«
»Por Por ist eine ausgesprochen reizende Dame«, sagte Carla. »Sie
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