Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Ihrem Empfang nicht erst durch den Hoteleingang.« Ti wies zu den Schatten hinter den Paravents. »Dort hinten gibt es eine Teestube und auch eine kleine Bar. Wir haben versucht, einige Räume in ihrem Originalzustand zu belassen und nur unauffällig ihre Funktionalität zu verbessern. Unten beispielsweise wurde ein Teil der alten Küche zu einer Suite umgebaut, aber der gemauerte Herd steht noch drin.«
»Das ist wirklich etwas ganz Besonderes«, sagte Julie und wechselte einen Blick mit Christopher, während sie an einer dunkelblauen eisernen Wendeltreppe vorbeigingen. Im Innern des Gebäudes war es zwar kühl, doch Julie empfand die Düsterkeit als unbehaglich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass eine heitere sonnenhungrige Australierin sich hier wirklich wohl fühlen konnte. Hinter der nächsten Ecke jedoch betraten sie einen offenen sonnendurchfluteten Hof, in dessen Mitte ein Brunnen sprudelte. Zierpflanzen und Blumen blühten in erhöhten Wannen, und vor den alten Mauern standen steinerne Bänke.
»Wie zauberhaft!«, rief Julie aus. Am anderen Ende des Hofs führte ein Bogengang in einen Korridor, von dem mehrere Türen abgingen. Wahrscheinlich zu den Suiten, vermutete Julie. Ti wandte sich nach rechts, wo hinter einem weiteren Torbogen eine imposante glänzende Holztreppe in den ersten Stock führte.
»Dort oben ist die Flitterwochensuite. Zu den Gesellschaftsräumen geht’s hier entlang. Bitte folgen Sie mir.«
Gehorsam trotteten sie ihm hinterher.
Dabei wäre Julie am liebsten alle paar Meter stehen geblieben, um die Kunstgegenstände, die Antiquitäten und vor allem die Fotografien näher in Augenschein zu nehmen. Obwohl das orientalisch anmutende Mobiliar wuchtig und aus dunklem Holz war, passte es in diese riesigen Räume. Auf den Intarsienböden aus Marmor und Holz lagen prächtige, bunte, alte Teppiche mit komplizierten Mustern. Dank der großen Fenster wirkten die Räume hell und freundlich.
Ti stieß zwei hohe Holztüren mit Schnitzereien auf. »Das ist der Festsaal.«
»Wow«, entfuhr es Christopher.
»Wir nennen ihn den Rose Room.«
»Das leuchtet mir auf Anhieb ein«, sagte Julie. »Bezaubernd.«
Gerüschte cremefarbene Seidenvorhänge rahmten die bodentiefen Fenster, die auf einen abgeschlossenen begrünten Innenhof hinausgingen. In dem eleganten Raum standen zehn runde Tische mit schwerem cremefarbenem Damast, jeder für zehn Personen gedeckt. Auf jedem Gedeck thronte eine rosafarbene, zu einem Schwan gefaltete Leinenserviette. Gestecke aus Rosen und kleinen weiß-rosa Pfingstrosen standen neben Kerzen und Kristallkelchen in der Mitte jedes Tischs. Die goldfarbenen Stühle waren mit altrosa Brokat überzogen, und auf dem cremefarbenen Teppich rankten sich eingewebte Rosen in verschiedensten Rosatönen um blassgrüne Blätter.
An der einen Seite gab es eine kleine Tanzfläche und daneben ein Podium. Ein massiver goldgerahmter Spiegel, in dem sich der Innenhof spiegelte, hing über einem mächtigen Marmorkamin. Die Wände zierten Gemälde und antike chinesische Seidengobelins.
»Der Raum ist für einen Empfang heute Abend hergerichtet, aber wir können hier Ihre speziellen Bedürfnisse berücksichtigen. Und im Garten werden sehr gerne Fotos gemacht.«
Ti führte sie durch die Verandatüren auf eine kleine überdachte Terrasse und von dort in den ummauerten Garten. Vor der Mauer befand sich eine mit leuchtenden Bougainvilleen überwucherte Laube, neben der ein Löwenkopfbrunnen sprudelte. Hohe Vasen mit farbenfrohen Krotons bildeten einen malerischen Hintergrund.
»Außer Hochzeiten finden in unserem Haus auch häufig Geschäftsessen und Firmenfeiern statt«, erklärte Ti. »Genügen die Räumlichkeiten Ihren Ansprüchen?«
Christopher hielt Julies Hand. »Es ist sehr geschmackvoll, und es gefällt uns beiden sehr gut. Schade, dass wir keins der Zimmer sehen können.« Zärtlich blickte er Julie an, die sich mühsam ein Lachen verbiss. »Wissen Sie, meine Verlobte hat einen besonderen Grund, warum sie hier übernachten will, nicht wahr, Liebling?«
Julie starrte ihn an, dann verstand sie den Wink. »O ja, in der Tat. Denn ich bin mit dem Haus in gewissem Sinne verbunden, das heißt mit den Tsangs … ein Mitglied der Familie war meine Tante.«
Überrascht sah Ti sie an. »Wirklich? Wie hieß Ihre Tante denn?«
»Bette Oldham. Sie war Australierin und mit Tony Tsang verheiratet.«
»Dann war sie also eine Zweit- oder Drittfrau?«
»Das weiß ich nicht …« Angesichts ihrer
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