Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
lückenhaften Kenntnisse der ehelichen Umstände verstummte sie.
»Julie hat erst vor kurzem erfahren, dass ihre Tante in diesem Haus gelebt hat«, erklärte Christopher und legte den Arm um sie. »Sie ist aus Australien hergekommen, um mehr über sie herauszufinden …«
»Und da haben Sie kurzerhand beschlossen, gleich hier zu heiraten?«, fragte Ti.
»Ich arbeite zurzeit in Butterworth«, erwiderte Christopher, »und könnte mir keinen schöneren Ort für Flitterwochen vorstellen als Malaysia.«
Ti nickte. »Verstehe. Kommen Sie doch wieder mit herein, da gibt es jemanden, den Sie vielleicht gern kennenlernen möchten.«
Julie warf Christopher einen fragenden Blick zu, während sie Ti in einen kleinen Salon auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs folgten. Doch ihr Freund zuckte nur die Achseln.
»Einen kleinen Moment, bitte.« Ti ließ sie allein.
»Schau mal hier«, rief Christopher und ging zu einer großen Vitrine voller wunderschöner Glas- und Kristallgegenstände. »Art déco und reinster Jugendstil. Das hier ist alles Lalique. Hier stehen Kunstwerke in Millionenwert.«
Julie gesellte sich zu ihm und betrachtete die geschickt ausgeleuchteten Figurinen, Vasen, Schalen und Parfümflakons. »Exquisit. Aber wieso weißt du, dass sie von Lalique sind? Sammelst du Glas?«
»Leider nein. Aber es ist eine Epoche, die mich sehr interessiert. Ich habe solche Stücke zum ersten Mal in einem Museum in Frankreich gesehen.«
Julie war gelinde gesagt überrascht und beeindruckt von Christophers Interessen. Wieder ließ sie den Blick über die ausgestellten Schätze gleiten.
»Es sind ein paar wunderschöne Stücke von Lalique dabei, nicht wahr?«, fragte da eine leise Stimme hinter ihnen. Mit einem Lächeln trat eine Euroasiatin in Shanes Alter neben sie. Als Erstes fielen Julie ihre perfekt geschnittene Hose und das elegant drapierte seidene Oberteil auf. Das dunkle, glatte Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz hochgebunden.
»Ich bin Carla Wong. Herzlichen Glückwunsch zur Verlobung. Ti hat mir erzählt, dass eine Verwandte von Ihnen Verbindung zum Rose Mansion hatte?« Sie schüttelte den beiden die Hand.
Mit breitem Lächeln erwiderte Christopher ihren Händedruck. »Eine Verwandte von Julie. Und das Ganze ist eine längere Geschichte, nicht wahr, mein Schatz?«
»Setzen Sie sich doch.« Carla wies auf das Sofa und nahm sich einen der schweren Holzstühle. »Ich bin die Hoteldirektorin und würde gern mehr darüber hören.«
»Entschuldigung, dass wir Sie einfach so überfallen«, begann Julie. »Aber ich würde zu gern wissen, ob es irgendwelche Aufzeichnungen über das Rose Mansion gibt?«
»Eine ganze Menge. Baupläne, die Namen der ursprünglichen Stoffe und Tapeten …«
»Nein, das meinte ich nicht. Eher etwas über die Familie, die Menschen, die hier gelebt haben.«
»O ja, es gibt ein wunderbares Buch über die Geschichte des Hauses und die Sammlungen.«
»Das heißt, hier findet man nicht nur Lalique?«, fragte Christopher.
Carla lächelte. »Es sind eine Menge Antiquitäten im ganzen Haus verteilt.«
»Was wir gesehen haben, ist hinreißend, aber mich interessiert vor allem meine Großtante. Ich habe erfahren, dass sie mit Tony Tsang verheiratet war und nach dem Krieg hier gelebt hat. Sie war Australierin«, sagte Julie.
»Das weiß ich«, erwiderte Carla freundlich, nachdem sie Julie kurz gemustert hatte. »Ein bisschen erinnern Sie mich sogar an sie, das liegt an Ihrem Lächeln und Ihrer Haarfarbe. Darf ich fragen, warum Sie sich für sie interessieren?«
»Bis vor kurzem wusste ich überhaupt nichts über Tante Bette und ihr Leben«, sagte Julie. »Ihre Schwester, meine Großmutter, weigerte sich, über sie zu sprechen.«
»Lebt Ihre Großmutter noch?«, fragte Carla.
Julie schüttelte den Kopf. »Nein. Aber inzwischen habe ich herausgefunden, dass Großtante Bette in Malaya gelebt hat, während des Kriegs in einem japanischen Lager war und später ein Buch über die Iban geschrieben hat. Mehr weiß ich allerdings noch nicht. Aber sie scheint eine bemerkenswerte Frau gewesen zu sein, und ich möchte so viel wie möglich über sie erfahren.«
Carla nickte. »Ich verstehe, dass Sie die Geschichte Ihrer Familie erforschen wollen, insbesondere da Sie bald heiraten werden.«
Ein bisschen erschrocken blickte Julie Christopher an, und er beeilte sich zu sagen: »Wir sind nicht verlobt, nur befreundet. Julie wollte gern dieses Haus sehen, weil sie hoffte, hier etwas über ihre
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