Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
miterleben können. »Ich erinnere mich an dich, Tante Bette.«
»Sie sind Verwandte! Das ist ja grandios«, sagte Cyndi. »Ich werde Sie für ein paar Minuten allein lassen. Aber wir müssen dann mit dem Programm weitermachen, Bette. Neben dem Podium steht, falls nötig, ein Stuhl für Sie.«
»Danke, Cyndi. Ich warte auf Ihr Zeichen.« Sie lächelte Caroline an. »Es werden Reden gehalten, so ist das nun einmal. Aber nach dem offiziellen Teil bleibe ich nicht mehr lange. Heutzutage bringe ich für so etwas nur noch begrenzte Kraft auf.«
»Ist doch klar, Tante Bette. Ich freue mich so, dich wiederzusehen. Das sind Paul, mein Mann, und, wie du schon gemerkt hast, meine Tochter Julie. Es tut mir leid, dass wir uns bei einem so wichtigen Anlass aufdrängen. Es hat bestimmt eine Weile gedauert, diese Ausstellung zusammenzustellen?«
»Das kann man wohl sagen. Ich musste zuletzt sogar ein Atelier mieten, damit ich mich in meinem Wohnzimmer wieder bewegen konnte«, sagte Bette. »Außerdem brauchte ich gutes Licht, und das Atelier war perfekt.«
»Malst du nach der Natur oder nach Fotos?«, fragte Julie, die über die Detailtreue der Blumen und auch ihrer Umgebung staunte.
»Ungefähr vor zehn Jahren bin ich nach Cooktown gefahren und habe dort im Regenwald gemalt, aber auch Fotos gemacht. Und einige der Bilder habe ich aus dem Gedächtnis nach Skizzen gemalt, die ich vor Jahren in Malaysia gemacht habe. Nach und nach habe ich eine Sammlung aufgebaut. Die Gardens Gallery hat von meiner Arbeit gehört und mich freundlicherweise gefragt, ob ich hier ausstellen möchte.«
»Das war bestimmt ein ziemliches Unterfangen«, meinte Julie. »Du bist offenbar eine furchtlose Forscherin.«
»Ja, ich liebe den Dschungel und den Regenwald, aber ich interessiere mich auch für das andere Extrem und möchte unsere Wüsten sehen. Ich plane eine Reise nach Alice Springs und ins Landesinnere, aber bisher bin ich einfach noch nicht dazu gekommen.«
»Bette, du bist unglaublich!«, rief Caroline. »Hör mal, wir wollen dich nicht aufhalten, aber wir sind beeindruckt von deiner Arbeit und sehr stolz auf dich. Wenn du morgen Zeit hättest, würden wir dich gern vormittags oder nachmittags irgendwo zum Tee einladen. Würde das passen?«
Bettes Augen funkelten. »Um mich mit Fragen zu löchern? Aber ja doch! Und ich möchte alles über euch erfahren. Mir wäre es allerdings lieber, wenn ihr zu mir kommt. Bei mir zu Hause ist es ruhiger und bequemer für mich. Wir machen etwas aus, wenn die Ansprachen vorbei sind.«
Alle fanden Bette bezaubernd. »Ich finde es großartig, dass ich sie kennengelernt habe«, sagte Paul. »Aber ich könnte mir vorstellen, dass es angenehmer für sie ist, wenn nur ihr beide sie besucht. Ich lasse es mir so lange am Pool gutgehen, und später könnt ihr mir alles erzählen.«
Bettes Wohnung lag im Erdgeschoss eines großen Wohnblocks mit einem Parkplatz gleich neben dem Eingang. Im Unterschied zu den anderen Bewohnern hatte sie sogar einen kleinen Privatgarten.
Eine junge Frau öffnete die Tür und führte sie in ein geräumiges Wohnzimmer. »Ich bin Suzie. Mrs. Tsang hat mir von Ihnen erzählt. Wie schön für sie, dass sie hier in Australien Verwandte hat. Was darf ich Ihnen bringen?«
Bette saß auf dem Sofa und hatte die Beine auf einen Hocker gelegt. Eine verglaste Schiebetür führte in den Garten, wo Töpfe mit Orchideen und tropischen Pflanzen dicht an dicht standen. »Tee würde ich sagen, Suzie. Oder möchtet ihr lieber Kaffee oder etwas Kaltes?«
»Tee ist wunderbar, danke. Was für eine schöne Wohnung«, sagte Caroline, während sie sich in dem Zimmer umblickte. Das chinesische Dekor war auffallend: wunderschöne Webteppiche, bestickte Kissen und an den Wänden Seidentapeten, gerahmte Aquarelle und erlesene Kalligraphien.
»Arbeitest du auch hier?«, fragte Julie und setzte sich neben Bette.
In einer Ecke standen eine Staffelei und ein kleiner Kartentisch, der mit Farbtuben, Pinseln und Skizzenbüchern bedeckt war.
»Wenn ich keine Lust habe, ins Atelier zu gehen, oder wenn mich die Inspiration überkommt«, sagte Bette.
»Warst du zufrieden mit der Vernissage?«, fragte Caroline.
»Cyndi schon. Anscheinend haben wir einige Bilder verkauft, und das ist gut so, denn der Erlös geht an eine gemeinnützige Stiftung. Eine Auswahl ist für die Dauerausstellung der Gardens Gallery vorgesehen. Das ist alles recht schmeichelhaft für eine alte Hobbymalerin.«
»Aber du hast doch
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