Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
Anschließend habe ich versucht, mir ein eigenes Leben aufzubauen. Ich bin auf die Kunstakademie gegangen und für eine Weile nach Sydney gezogen. Die Ergebnisse all dieser Kurse könnt ihr jetzt, viele Jahre später, besichtigen«, sagte Bette mit einem Lächeln.
Julie wollte eine weitere Frage stellen, aber Caroline legte ihr die Hand auf den Arm.
»Bette, danke, dass du uns das alles erzählt hast. Das war bestimmt nicht leicht für dich. Natürlich wollen wir noch mehr wissen, aber du siehst müde aus.«
Bette winkte ab. »Unsinn, mir fehlt nichts, und nach dem Krieg kamen gute Zeiten. Viele gute Jahre. Das will ich euch keinesfalls vorenthalten. Ihr könnt euch ja vorstellen, dass es nach dem Krieg schwierig war, wieder da anzuknüpfen, wo man aufgehört hatte. Philip und ich waren nicht die Einzigen, die schwere Zeiten hinter sich hatten. Roland hatte als Soldat viel Schlimmes erlebt, und als er nach Hause zurückkehrte, war die Plantage völlig verwahrlost und sein Vater tot.
Anfang 1946 fuhren Margaret und Philip zu ihm nach Malaya, um ihr altes Leben auf der Plantage wiederaufzunehmen. Für Margaret war das nicht leicht, denn das Haus war von den Japanern besetzt gewesen, und die goldenen Jahre der Vorkriegszeit kehrten nicht wieder. Aber Roland wollte die Plantage nicht aufgeben, die sein Vater mit so großem Einsatz gegründet hatte, und es waren auch eine Menge loyale Angestellte geblieben. Also legten sich alle ins Zeug.
Und dann kamst du zur Welt, Caroline. Als du ungefähr drei warst, schrieb Margaret mir und bat mich, sie zu besuchen. Die Entscheidung fiel mir nicht ganz leicht, denn ich hatte Arbeit und einen netten Freundeskreis. Aber Roland schrieb mir ebenfalls und meinte, es wäre eine große Hilfe, wenn ich käme, und er würde mir das Flugticket bezahlen. Margaret sei einsam, sagte er, und zwischen den Zeilen las ich, dass sie unglücklich war. Also beschloss ich, nach Malaya zurückzukehren.«
In diesem Augenblick kam Suzie herein. »Suzie, könnten Sie bitte das Teegeschirr abräumen? Ich glaube, wir sind fertig.« Steif erhob sich Bette. »Bitte entschuldigt, aber ich muss jetzt weg. Cyndi will mit mir über den Verkauf meiner Bilder sprechen.«
»Ich hoffe, wir waren nicht zu lästig«, sagte Caroline rasch.
»Überhaupt nicht. Ihr habt ein Schleusentor für Erinnerungen geöffnet, an die ich schon lange nicht mehr gedacht hatte.«
»Du hast die guten Zeiten nach dem Krieg erwähnt. Das klingt, als hättest du ein wunderbares Leben geführt. Davon würden wir auch gern mehr erfahren«, sagte Julie, als sie Bettes schmale, aber kräftige Hand ergriff.
»Jules, bitte, ich finde, wir sollten Bette nicht mit so vielen Fragen löchern.«
Bette lächelte Julie an. »Unsinn, Caroline, ich würde euch beiden sehr gern noch mehr erzählen, wenn es euch wirklich interessiert. Vielleicht morgen. Du hast Rose Mansion gesehen, Julie, du hast eine meiner Enkelinnen kennengelernt, und du warst bei den Iban – da haben wir doch eine Menge gemeinsam. Es würde mir wirklich Spaß machen, noch einmal mit euch in Erinnerungen zu schwelgen.«
»Das wäre schön. Ich bin schon so gespannt«, erwiderte Julie mit einem Lächeln.
»Morgen also.« Bette ließ sich von Julie auf die Wange küssen und nahm Caroline zum Abschied in die Arme.
Zurück im Hotel, erstatteten Caroline und Julie Bericht. Paul hörte kopfschüttelnd zu und stand schließlich auf. »Was für eine erstaunliche Frau. Nach allem, was ihr mir erzählt habt, brauche ich jetzt erst einmal einen Schnaps. Wie steht’s mit euch? Und was ist für morgen geplant?«
»Bette möchte uns morgen noch einmal sehen«, sagte Caroline.
»Vielleicht werdet ihr feststellen, dass sie jetzt, wo die Tür zu den alten Erinnerungen aufgestoßen ist, weiterreden will«, meinte Paul. »Das ist wohl so eine Art Katharsis. Ich habe gehört, dass alte Leute gern ihre Geschichte erzählen, damit ihr Leben mit all seinen Höhen und Tiefen nicht mit ihnen verschwindet.«
»Da könntest du recht haben«, stimmte Caroline zu. »Für mich ist es aber auch wichtig. Du siehst ja, wie wenig ich über meine Eltern weiß.«
»Margaret hat immer ein bisschen undurchsichtig gewirkt«, sagte Paul. »Als ich sie kennenlernte, dachte ich, die Dame ist aber zugeknöpft. Ich fürchtete sogar, dass sie etwas gegen mich hat.«
»Überhaupt nicht! Sie hat dich vergöttert«, rief Caroline. »Vor allem nachdem wir bei ihr eingezogen waren und sie dich herumkommandieren
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